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Der echt künstliche Sound

■ Staubsauger, die zu leise sind, bleiben liegen / Über Fachleute für Sounddesign

Das Gerücht hält sich hartnäckig: daß BMW an einem künstlich erzeugten Fahrzeuginnenraumgeräusch arbeitet. Im einfachsten Fall käme ein synthetisches Motorgeräusch vom Kassettenrekorder und würde sich enorm sportlich anhören. Unfug? Sicher, aber der Kunde ist König, und der BMW-Kunde gibt einen Haufen Geld dafür aus, um das Gefühl haben zu dürfen, „sportlich“ unterwegs zu sein. Doch leider sind die Automotoren so leise geworden, daß man im Auto allzu oft nur noch das Abrollgeräusch der Reifen hört. Der Druck, am BMW-Sound zu manipulieren, ist mithin ein ökonomischer. Und siehe, da ist sie auch schon: die erste deutsche Firma, die ihr Geld mit der Sound-Optimierung von Industrieprodukten verdienen will. Sie heißt R & S Sounddesign und hat ihren Sitz in Oldenburg.

„R & S“ heißt (Thorsten) Ronnebaum & (Nils) Springer; die beiden Jungunternehmer sind Diplomphysiker und erwarben die Voraussetzungen für ihre Arbeit an der weltweit beachteten Psychoakustik-Abteilung der Oldenburger Uni. Außerdem sind beide Motorradfahrer, und ein Motorradfahrer ist per se Sounddesigner – sobald er die erste Auspuffmanipulation vornimmt, um seinem Bock einen kernigen Auftritt vor der Eisdiele zu ermöglichen. Dieser Tage schließen R & S ihren ersten Auftrag ab: Ein Duschkabinenhersteller wollte ein nervtötendes Quietschen an der Duschkabinentür beseitigt haben. R & S haben das Quietschen im Frequenzspektrum sichtbar machen und es an der Duschkabine lokalisieren können und geben nun dem Hersteller den Rat, mit einem anderen Material zu arbeiten. Der nächste Job: Ein PKW-Hersteller will seine elektrische Sitzverstellung akustisch optimieren. Danach kommt ein Fön dran, der heult.

In der Regel wird Sonddesign eher hemdsärmelig betrieben; der Lärm einer Bohrmaschine oder einer Küchenmaschine ist Resultat der Konstruktion und dem Zufall unterworfen; allenfalls wird ein wenig am Geräuschpegel gearbeitet. Aktives Sounddesign kennt man eigentlich nur aus der Autoindustrie, wo sich durchgesetzt hat, daß man den Wert eines Autos auch am Geräusch erkennt, das von einer zuschlagenden Tür ausgeht. Dieses kann billig-blechern klingen oder hochwertig-satt, ja saugend. Seit die Motoren immer leiser werden, haben auch die Reifenhersteller Sounddesigner unter Vertrag. „Wobbelt“ der Reifen auf Kleinpflaster, „wummert“ er? Stört das überhaupt? Gibt es Wobbelanteile, auf die der Kunde nicht verzichten möchte?

Um den reinen Schalldruck (Dezibel) geht es dem Sounddesigner selten. Tatsächlich bleiben geräuschminimierte Staubsauger („Flüstersauger“) im Regal liegen, weil sie sich nicht nach Power anhören. Der Sounddesigner kann aber Schallbrücken einbauen, über die tiefe Frequenzen zur schwingenden Außenhaut wandern können, und schon brummt die Kiste kraftvoll. Als neulich ein Motorradbauer seinen neuen Boxermotor vorstellte, ein Hitec-Teil mit erfreulichen Emissionswerten, schüttelte die Motorradwelt den Kopf: hörte sich an wie eine geräuschreduzierte Spülmaschine. Nur Wochen später wurden im Zubehörhandel Ersatz-Auspuffanlagen angeboten, die „kernigen Sound“ versprachen (sogenannte „Krawalltüten“). Ein anderes feines Beispiel für aktives Sounddesign sind Rasierapparate. Geräte für Frauen und Männer leisten dasselbe, sind technisch baugleich. Doch der Ladyshave klingt geradezu hautschonend sanft, der Herrenmäher dagegen bratzelt kraftvoll übers Kinn.

R & S sitzen derzeit noch bei den Psychoakustikern in der Oldenburger Uni. Doch demnächst wollen sie in ein Technologiezentrum umziehen. Aktuell sind sie dabei, ihr Eqipment zu verbessern, teure Kunstköpfe für die Schallmessungen im schalltoten Raum anzuschaffen, sich die richtige Computersoftware zu besorgen. Geld spielt erstmal eine nachgeordnete Rolle: Letztes Jahr gewannen sie den Innovationspreis des „Deutschen Gründerfonds'“ (Wirtschaftsmagazin Impulse, Stern, Rhone-Poulenc, ein Pharmakonzern) und strichen 100.000 Mark ein. Ein Ziel ihrer Arbeit (neben Geldverdienen) wäre, sagt Nils Springer, die Geräte bei Bedarf soundmäßig so zu optimieren, daß sie gleichzeitig leise und stark klängen. Daß man also jene Frequenzbereiche in einem Geräusch ermitteln könnte, die beim Kunden die Wahrnehmung „boaaah, stark!“ auslösen, um alle anderen Krachmacher zu neutralisieren. Das wäre sie dann, die „Kopf-Arbeit für die Umwelt“, mit der Opel für seine leisen Autos wirbt (der „Kopf“ ist natürlich ein akustischer Kunst-Kopf).

Womit die beiden Oldenburger Sounddesigner nicht rechnen, ist, daß irgendwann Alfa Romeo auf seine Türen ein Schildchen klebt: „Sounddesigned by R & S“. „Der Sound,“ sagt Thorsten Ronnebaum, „ist etwas ganz normales. Die Geräte sollen so klingen, wie man es erwartet. Erst wenn was falsch ist, fällt es auf.“ Doch da irrt er gewiß. Wäre doch zu erstaunlich, wenn die Marketingprofis großer Unternehmen ausgerechnet das am schwersten zu verschließende Einfallstor zu unserer Seele übergehen würden: unser Ohr. BuS

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