: Halber Kniefall vor St. Pauli
Der Senat ohrfeigt Gesundheitssenatorin Fischer-Menzel: Ambulanz bleibt im Hafenkrankenhaus, doch Besetzer wollen Erhalt der Klinik ■ Von Silke Mertins
Der Gang nach Canossa hätte schlimmer nicht sein können: Angeschlagen saß die Gesundheitssenatorin und Liquidateurin des Hafenkrankenhauses, Helgrit Fischer-Menzel (SPD), an der Seite des Ersten Bürgermeisters Henning Voscherau (SPD). In frostiger Zweisamkeit hatten sie einen Tag nach der Besetzung der Kiez-Klinik eine Mitteilung zu machen: Der Standort der Notfallambulanz wird nicht ans Nobistor verlegt, sondern bleibt im Hafenkrankenhaus. Den aufständischen St. PaulianerInnen wird ein Runder Tisch angeboten.
Die Kehrtwende des Senats kam auf Intervention Voscheraus zustande, der sich schon vergangene Woche mit seiner Gesundheitssenatorin ein heftiges Wortgefecht geliefert hatte, hieß es aus Senatskreisen. Seitdem trug sich Fischer-Menzel mit Rücktrittsgedanken. Doch obwohl die gestrige Senatsentscheidung eine schallende Ohrfeige für die Senatorin war, zog sie nicht die Konsequenzen.
„Ich begrüße die Senatsentscheidung nicht nur, sondern habe sie aktiv mitbetrieben“, behauptete Fischer-Menzel. Sie habe immer den Standort Hafenkrankenhaus favorisiert. Noch auf die Kleine Anfrage der CDU vor einer Woche hatte sie sich jedoch für den Ambulanz-Standort Nobistor ausgesprochen.
Auf der Basis des einstimmig gefällten Senatsbeschlusses wird nun neu mit der für die Notfallversorgung zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) verhandelt. Das finanzielle Risisko für eine – angeblich – teurere Lösung auf dem Gelände des Hafenkrankenhauses übernimmt vorerst der Senat. Daß die Klinik als solche erhalten bleibt, schließt er aber aus.
Für ein Krankenhaus gebe es auf St. Pauli keinen Bedarf, meint Voscherau. Nur ein Drittel der PatientInnen sei bisher stationär behandelt worden und könne von anderen Kliniken übernommen werden. „Die Bevölkerung muß bereit sein, sich diesem schlichten sachlichen Argument zu stellen“, verlangt der Bürgermeister.
Von müssen kann indes keine Rede sein. Der Initiative „Ein Stadtteil steht auf – Hafenkrankenhaus bleibt“ will sich nicht mit Krümeln abspeisen lassen. „Es ist ein Witz, daß sie über alles andere reden wollen, nur nicht über das Krankenhaus“, kommentierte Besetzerin Simone Borgstede. Auch Ini-Sprecher Frank Eyssen warnte vor einer „Mogelpackung“. Voscherau müsse nun präzisieren, was er wirklich wolle. Immerhin habe der Senat aber „mit seinen Hausaufgaben begonnen“.
Der Vorschlag einer Amputationslösung Ambulanz ohne Klinik sei „wie ein entgegengestreckter Handschuh ohne Hand“, so Personalrat Uwe Hinck. Nach einem Alternativkonzept des Personalrats würde die sozialmedizinische Ambulanz mit 121 Betten erhalten bleiben. Der übrige Platz könnte für eine Altentagesstätte, eine Kita, ein Hospiz und mehr genutzt werden.
Ein „abgespecktes Krankenhaus“ komme nicht infrage, lehnte Fischer-Menzel gestern ab. Doch nicht sie wird die Gespräche am Runden Tisch führen. Dafür hat Voscherau den Hafenstraßen-erprobten Stadtentwicklungssenator Thomas Mirow (SPD) eingeteilt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen