American Pie: Die NBA steckt in der Abwehrfalle
■ Seit 1955 gab es keinen so niedrigen Punkteschnitt wie in dieser Saison
That I could make those people dance
Am kommenden Wochenende findet in Cleveland das All-Star- Wochenende statt, bei dem sich die NBA so präsentiert, wie sie sich selbst am liebsten sieht: als gigantische Unterhaltungsmaschinerie, die Sport und Show aufs effektivste miteinander verbindet. Derzeit ist dafür kaum ein passenderer Austragungsort als Cleveland denkbar, denn die Fans der Stadt müssen ausgehungert sein nach attraktivem Basketball. Schließlich stehen die örtlichen Cavaliers geradezu symbolisch für jene langsame, defensive Spielweise, die in der Liga immer mehr um sich greift und in der laufenden Saison manche Spiele in wahre Fehlwurforgien ausarten ließ.
Es gibt einen alten Spruch im amerikanischen Profisport: „Offense wins games, defense wins championships.“ In der NBA dominieren schon in den regulären Saisonspielen die Abwehrleistungen. So erzielte Utah Jazz bei einer Heimniederlage gegen Houston nur 72 Punkte, so wenige wie noch nie in der Vereinsgeschichte. Letzte Woche leistete sich Cleveland beim 65:75 gegen New York einen klubeigenen Minusrekord. Den Tiefpunkt lieferte Orlando Magic. 57 Punkte (gegen Cleveland!) bedeuteten NBA-Minusrekord seit 1955, dem Jahr, in dem die 24-Sekunden-Begrenzung für Angriffe eingeführt wurde. Seit der Spielzeit 1954/55 haben die NBA-Teams im Durchschnitt nicht mehr so wenige Punkte erzielt.
Das hat viele Gründe: Die Feld- und Freiwurfquoten sind die niedrigsten seit 20 Jahren, was zum einen daran liegt, daß die Teams immer besser verteidigen, zum anderen aber auch daran, daß immer mehr Spieler nicht die vier Jahre ihrer College-Ausbildung durchlaufen. Weniger Wurftraining sorgt für niedrigere Quoten. Außerdem legen die jungen Spieler nicht mehr soviel Wert auf einen soliden Sprungwurf, sondern eher auf Kraft und Athletik: Mit spektakulären Dunks wird man schneller zum Star als mit einer guten Dreier-Quote.
Ein weiterer Grund liegt im Deckungssystem. Ursprünglich wurde die Zonendeckung in der NBA verboten, um zu verhindern, daß die besten Spieler ständig von einem Pulk Verteidiger umringt sind. Inzwischen haben es die Trainer geschafft, mittels der Bestimmungen, wer wen wie und wo zu verteidigen hat, fast perfekte Fallen für die Angreifer aufzubauen. Während es in Europa Überlegungen gibt, die Zonendeckung nach NBA-Vorbild zu verbieten, um das Spiel attraktiver zu machen, denkt man in Amerika über das Gegenteil nach.
Aber der wohl wichtigste Grund bleibt das Diktum von der Verteidigung, mit der man Meisterschaften gewinnt. Seit 1989 haben immer Teams die Meisterschaft gewonnen, die zwar stark in der Offensive waren, aber vor allem dominierend in der Defensive: die Detroit Pistons, die Houston Rockets und die Chicago Bulls, die eine extrem gut verteidigende Mannschaft sind. Mit Jordan, Pippen und Rodman wurden gleich drei Bulls nach der letzten Saison ins All-Defensive-Team gewählt. Der Erfolg solcher Teams färbt auf den Rest der Liga ab, und die Klubverantwortlichen stellen lieber einen Trainer ein, der vor allem Wert auf die Verteidigung legt.
All-Star-Teams 1997
Osten: Michael Jordan, Scottie Pippen, Patrick Ewing, Anfernee Hardaway, Grant Hill; Vin Baker, Terrell Brandon, Tim Hardaway, Christian Laettner, Alonzo Mourning, Dikembe Mutombo, Glenn Rice
Westen: Charles Barkley, Shawn Kemp, Hakeem Olajuwon, Gary Payton, John Stockton; Clyde Drexler, Tom Gugliotta, Eddie Jones, Karl malone, Shaquille O'Neal, Mitch Richmond, Latrell Sprewell
Auf Dauer aber, darüber denken sicher auch schon die NBA- Verantwortlichen nach, werden die Zuschauer wegbleiben und die TV-Quoten sinken, sollten die Spieler sich weiter so dämlich anstellen, wenn es darum geht, den Ball in den Korb zu befördern. Zwar findet beim All-Star-Game traditionell keine Defensive statt, aber sollte sich selbst bei dieser Show-Veranstaltung der allgemeine Trend fortsetzen, wissen die Liga-Verantwortlichen, daß sie ein ernstes Problem haben. Thomas Winkler
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