Transrapid: Standortpolitik a la Voscherau

■ Wie der Stadtchef gegen den Willen seiner Partei Hamburg von Berlin abkoppelte

Januar 1992. Eine frohe Botschaft aus dem Bundesverkehrsministerium magnetisiert Hamburgs Ersten Bürgermeister: Die Hansestadt und Berlin sind auserkoren, dem Magnetschwebezug Transrapid als Referenzstrecke zu dienen. Henning Voscherau erklärt den Transrapid zur Chefsache.

Januar 1997. Eine frohe Botschaft für Haushalts- und Verkehrsexperten: Verkehrsministerium und Industrie räumen die Unwirtschaftlichkeit des Transrapid ein. Der Ausstieg aus dem Projekt beginnt. Das verkehrs- und wirtschaftspolitische Drama freilich ist perfekt: Statt Hamburg und Berlin schon 1998 in eineinhalb Stunden mit dem ICE zu verbinden, werden die beiden größten norddeutschen Wirtschaftsräume noch mindestens fünf bis acht Jahre auf eine moderne Hochgeschwindigkeitsverbindung warten müssen.

Genau dieses Desaster hatte der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Werner Dobritz bereits 1992 vorhergesagt. Voscherau, der sich in seiner Transrapidliebe nicht beirren ließ, stand damals vor einer schwierigen Situation: Es galt, das höchst umstrittene Projekt gegen eine Mehrheit in Partei, Verwaltung und Fraktion durchzuboxen. Der Bürgermeister entschied sich für seine bewährte Doppelstrategie aus öffentlicher Hinhaltetaktik und persönlichem Druck hinter den Kulissen. Gegenüber Fraktion und Partei vertrat er die Linie, er sei nur dann für den Transrapid, wenn dieser den Ausbau der Bahnstrecke Hamburg-Berlin nicht gefährde und das Projekt Hamburg keinen zusätzlichen Pfennig koste.

Dennoch mußte er im April 1994 eine Niederlage auf dem SPD-Landesparteitag einstecken. Die linke Mehrheit, ermutigt durch SPD-Chef Jörg Kuhbiers An-ti-Transrapid-Überzeugung, faßte einen eindeutigen Beschluß gegen den Transrapid. Senat und Bürgerschaft wurden aufgefordert, „ihre Möglichkeiten zur Verhinderung dieser Pläne zu nutzen“. Außerdem sollten sie sich darum bemühen, daß die für den Transrapid vorgesehenen Investitionsmittel für den Bau einer ICE-Strecke Hamburg-Berlin bereitgestellt werden.

Im Juli 1994, nicht einmal drei Monate später, votierte Hamburg im Bundesrat dann jedoch brav für den Transrapid und tat dies auch in allen folgenden Abstimmungen. Währenddessen wurde die Eisenbahnstrecke Hamburg-Wittenberge-Berlin nicht nur aus der Planung für den Hochgeschwindigkeitsverkehr genommen, selbst der Ausbau auf Tempo 200 unterblieb.

Als die Bundesregierung angesichts des offenkundig nicht nachweisbaren Bedarfs für den Transrapid ein eigenes Bedarfsgesetz verabschiedete, gegen das Schleswig-Holstein mittlerweile vor dem Bundesverfassungsgericht klagt, jubelte Voscherau: „Jetzt geht es nur noch um die Frage des Wie.“ Längst hatte er Jörg Kuhbier zur Raison gerufen, Senat und Verwaltung auf Linie gebracht und seinen treuen Gefolgsmann, Umweltsenator Fritz Vahrenholt, als Transrapidspeerspitze eingesetzt.

Tatsächlich ist der Transrapid in den Dimensionen einer Umweltverträglichkeitsprüfung, die lediglich Flächenverbrauch und Emissionen, nicht aber den verkehrspolitischen Sinn prüft, kein Problem. Der schwebende Zug ist jedoch selbst auf einer lukrativen Strecke wie der zwischen Hamburg und Berlin betriebs- und volkswirtschaftlich nicht konkurrenzfähig. Er ist schlicht zu teuer. Voscherau, geblendet von forschen Industrievertretern, hätte dies wissen müssen. Statt dessen beteuerte er kürzlich noch: „Das von der Wirtschaft vorgelegte Finanzierungskonzept geht von einem rentablen Transrapidbetrieb aus.“ Das dies längst widerlegt ist, räumt inzwischen selbst der Geschäftsführer der Hamburger Handelskammer, Hans-Jörg Schmidt-Trenz, ein: „Der Transrapid ist betriebswirtschaftlich sicher nicht optimal.“

Heide Simonis hatte das schon 1996 kapiert: „Der Transrapid führt verkehrspolitisch ins Abseits, finanziell in den Sumpf und industriepolitisch nicht zum Ziel.“ Ihr weniger weitsichtiger Kollege Voscherau steht heute vor den Trümmern seiner Standortpolitik. Statt Hamburg und Berlin zu verbinden, hat das Transrapidprojekt dem Wirtschaftsraum Hamburg schon heute großen Schaden zugefügt. Hannover, Magdeburg, Leipzig und Dresden, allesamt stark interessiert, sich wirtschaftsstrategisch mit Berlin zu liieren, nutzen längst ihren schienenverkehrspolitischen Zeitvorsprung. Florian Marten