: Abschiebung nach anonymem Anruf?
■ Ging die Massenbefragung von 80 afrikanischen Asylbewerbern im November auf einen anony-men Anruf zurück? / Erster Asylbewerber nach fast zwei Monaten Abschiebehaft jetzt geduldet
Die Telekom-Masche der Innenbehörde scheint gescheitert. Der Drei-Minuten-Takt für das Beseitigen von Abschiebehindernissen hat offenbar nicht funktioniert. Nach und nach werden Asylbewerber, denen nach einer Massenbefragung im Ausländeramt im November (vgl. taz vom 23.12.96) eine Staatsangehörigkeit zugeteilt wurde, die der jeweils eigenen Angabe widersprach, aus der Abschiebehaft entlassen. Jüngster Fall ist der des Liberianers Asco M.
Der junge Mann war im November nach einem kurzen Dialog mit dem Dolmetscher des gambischen Honorarkonsulats in Düsseldorf sowie mit einem nigerianischen Mitarbeiter der Bielefelder Zentralen Ausländerbehörde, als Ghanaer eingestuft worden.
Daraufhin war der Mann, gegen den auch wegen eines Drogendelikts ermittelt worden war, in Abschiebehaft geraten. Doch bei einer Vorführung von Asco M. bei der Botschaft Ghanas in Bonn wurde die Herkunftsbestimmung der beiden westafrikanischen „Experten“ nicht bestätigt. Der junge Mann wurde nicht als ghanaischer Landsmann identifiziert – und das ist nach Angaben der Bremer Flüchtlingsinitiative kein Einzelfall. Mehreren Afrikanern, darunter auch einem Liberianer, der zum Senegalesen deklariert worden war, sowie einem weiteren Mann, der nach der Befragung – entgegen eigener Angaben – als Nigerianer galt, winkt jetzt die Entlassung aus der Abschiebehaft.
Die Gründe für die Kehrtwende im großangelegten Abschiebeversuch von afrikanischen Asylbewerbern in Bremen, die nach eigenen Angaben aus den von Bürgerkriegen zerrissenen westafrikanischen Staaten Sierra Leone und Liberia stammen, wollte der Sprecher der Bremer Innenbehörde, Stefan Luft, nicht kommentieren. Nur soviel: Man habe „nach hausinternen Beratungen in einem Fall“ die Duldung erteilt. Auf die Abschiebung mit deutschen Paßersatzpapieren – wie in einem vergleichbaren Fall nach Gambia bereits geschehen – wurde verzichtet.
Warum? Die Bremer Flüchtlingsinitiative hat eine mögliche Erklärung für den Sinneswandel: „Die ganze Massenbefragung ist nur aufgrund einer Denunziation beim Ortsamt Burglesum ins Rollen gekommen“, sagt der Sprecher der Initiative, Udo Caspar. „Da hat im August jemand angerufen und 16 Namen und irgendwelche Herkunftsländer dazu angegeben.“ Diese 16 Männer, die bis dahin eine Duldung hatten, weil sie wegen Bürgerkrieg kaum in die Heimat abgeschoben werden können, seien im November vorrangig befragt worden, so Caspar.
Eine Reihe von ihnen mußte daraufhin aus der ASB-Asylbewerberunterkunft in der Peenemünder Straße in die Abschiebehaft im Polizeigewahrsam der Oslebshauser Justizvollzugsanstalt umziehen.
Daß die Großaktion im November auf einen anonymen Anruf beim Ortsamt Burglesum zurückzuführen sei, kann der Sprecher der Innenbehörde unterdessen nicht bestätigen. „Davon ist mir nichts bekannt“, so Stefan Luft.
Anders der Bremer Anwalt Thomas Holle. Er hat die Liste mit rund 16 Namen beim Ausländeramt eingesehen – und darauf auch den Namen seines Mandanten gefunden, der als Nigerianer denunziert worden war. „Das ist nicht der einzige Fall, der mir bekannt ist“, bestätigt auch der Anwalt. ede
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen