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Debbi Gigante beschleunigt

■ Mit dem souveränen Gewinn des Riesenslaloms hat die Doppelweltmeisterin Deborah Compagnoni die Ski-WM in Sestriere bis auf weiteres zu ihrer gemacht

Wenn also einer zurückblickt auf sein irdisches Tun und soll sagen, wann die Erfüllung besonders groß gewesen ist, ist das nicht einfach zu beantworten. Für Deborah Compagnoni im Augenblick schon. „Das ist meine beste Woche“, sagte sie, nachdem sie im Zielraum zu Sestriere wieder zu Atem gekommen war. Die Woche hat Compagnoni zur Doppelweltmeisterin gemacht. Nach ihrem Sieg im Slalom gewann sie gestern auch den Titel im Riesenslalom. Es handelte sich nicht um die Gunst der Stunde oder einen Hauch Glück – die „sensationelle Skifahrerin“ (Ex-Slalomweltcupsieger Armin Bittner) fuhr der Konkurrenz in 2:39,19 Minuten schlicht davon. Erst mit Sicherheitsabstand folgten die Schweizerin Karin Roten (2:39,99) und die Französin Leila Piccard (2:40,95).

Im Slalom hatte ein überragender zweiter Durchgang entschieden, diesmal hatte Compagnoni bereits im ersten Durchgang klar geführt. Und das, sagte sie, „hat mir Sicherheit gegeben“. Warum sie so viel besser ist als der Rest? Da paaren sich Dynamik, Leichtfüßigkeit und Reaktionsvermögen. Der österreichische Trainer Sepp Hanser hatte den zweiten Durchgang eigens „unrhythmisch gesteckt“, weil, wie er findet, „Anita vorausschauend fährt“. Mitfavoritin Anita Wachter aber nutzte die gute Absicht wenig, sie fuhr selber unrhythmisch und fiel aus den Medaillenrängen.

Compagnoni dagegen fand ihren Rhythmus problemlos, auch wenn sie „mehr Fehler machte, als im ersten Durchgang“. Der Hauptunterschied zur Konurrenz sei, sagt Armin Bittner: „Sie kann aus einem Fehler heraus noch beschleunigen.“ So geschehen an jenem Tor im mittleren, steilen Teil, an dem die deutsche Katja Seizinger eine Medaille verlor. Drei Zehntel fehlten zu Bronze, und die „hat der Fehler gekostet“, sagte Seizinger. „Zu spitz angefahren“ hatte sie das Tor, verlor den Druck auf den Außenski und fand sich schließlich „draußen im weichen Schnee“.

Und auf Platz fünf. Immer noch besser, als es der Bronzemedaillengewinnerin vom vergangen Jahr erging. Martina Ertl war siebzehn Tage nach ihrem Innenbandriß ohne echte Chance. Auf Platz 13 liegend wollte sie „im zweiten Durchgang angreifen“, fand aber ihren Versuch „im Steilhang zu direkt“. Die Linie war weg und Ertl zwölfte, aber gar nicht allzu traurig: „Paßt schon.“ Cheftrainer Rainer Mutschler sah das anders, fand es „bitter, richtig bitter“. Die erste Woche in Sestriere ist vorbei – und die deutschen Frauen stehen ohne etwas da.

Aber was soll da erst Pernilla Wiberg sagen? Die zuvor herausragende Skifahrerin des Winters war erneut chancenlos. Allerdings ist der Riesenslalom derzeit auch nicht ihre Disziplin. In diesem Winter hat die Schwedin ihr Hauptinteresse auf die schnellen Disziplinen gerichtet – und konsequenterweise erst ihren Slalomtitel an Compagnoni verloren. Noch stehen Super-G (am Dienstag), Kombination und Abfahrt aus. Doch Wiberg und Seizinger müssen sich sputen – sonst ist Compagnoni (26), Polizistin und Sportgeschäftbesitzerin aus Santa Caterina, die Nummer eins. 10.000 sollen es angeblich gewesen sein, die die erfolgreiche Titelverteidigerin als „Debbi Gigante“ feierten. Die hatte während der Fahrt gar nichts vom Trubel gehört; sie war „zu konzentriert“. Katja Seizinger hörte auch wenig. Speziell am Morgen „ließ es sehr zu wünschen übrig“, brummte sie.

Um die Zuschauertribünen fürs Fernsehen zu füllen, hatte der Weltverband FIS zwischenzeitlich die Veranstalter gar gebeten, einheimische Schüler heranzukarren. Es stellte sich freilich heraus, daß Sestriere bloß 80 Schulkinder hat. Jetzt sieht das anders aus. Heute ist nominell zwar Ruhetag. Doch es ist auch der Tag, an dem Alberto Tomba anreist. Da kommen nicht nur Schulkinder freiwillig. taz

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