piwik no script img

Kinkel unter Grizzlys

■ Im April soll "Phoenix" starten, doch der Sender ist schon jetzt eine Totgeburt

Heide Simonis hatte immer vom „Erlebniskanal“ gesprochen, und tatsächlich gab es medienpolitisch eine Menge zu erleben, bevor die Staatskanzleien der Länder bei ihrem Treffen mit den Intendanten und den Finanzkontrolleuren von der Gebührenkommission KEF grünes Licht für das neue ARD/ ZDF-Programm „Phoenix“ gaben. Bei der Zusammenkunft in Mainz ging es aber nicht um das „Ereignis- und Dokumentations“-Fernsehen Phoenix, sondern um den Nachrichtenkanal. So einer darf Phoenix nämlich auf keinen Fall werden, fanden speziell die Regierungschefs der Unionsländer. Aus Sorge um den privaten Berliner News-Sender n-tv hatte Volker Kähne, der Berliner Kanzleichef, gefordert, das Phoenix-Programm von allen Nachrichtenelementen zu befreien. Sonst wollte man die von der unabhängigen KEF genehmigten Gebührenmittel für das Projekt nicht freigeben.

Obwohl das Karlsruher Verfassungsgericht sowohl die Programmautonomie der Öffentlich- Rechtlichen festgezirrt hat, wie auch den Grundsatz, daß die Politik den Entscheidungen der eigens gebildeten KEF zu folgen hat, kam Kähnes Ansinnen in der Ministerpräsidentenrunde kurz vor Weihnachten durch. Doch hätte – wie von einzelnen Intendanten und SPD-Ländern angedroht – schließlich Karlsruhe über Phönix befinden müssen, wären die Bremser aus der CDU auf dem Bauch gelandet. Daher galt es am Freitag, nach erfolgten Intendantenkratzfüßen das Spiel zu beenden.

Phoenix darf kein Nachrichtenkanal werden, weil er nur als solcher eine Chance hat. Als Ereignis- und Dokumentationskanal („Edeka“, wie n-tv-Chef Karl-Ulrich Kuhlo zu spotten pflegt) ist er von Anfang an eine Totgeburt, was in seiner Entstehungsgeschichte begründet liegt: Die öffentlich- rechtlichen Sender suchten im Zuge der Medienrechtsnovellierung nach einer Möglichkeit, an der allgemeinen Kanalvermehrung teilzuhaben. Also ersannen sie neben dem Kinderkanal noch etwas, zu dem kein Politiker nein sagen konnte: Den Parlamentskanal. Auch die KEF stimmte zu, doch irgendwann schwante den Planern, daß 24 Stunden Politikerköpfe niemand sehen will. Das Monstrum E.D.K. wurde geboren und Phoenix getauft – eine durch und durch inkonsistente Programmmischung. Das Parlament blieb drin, angereichert durch Direktübertragungen von Papstbesuchen, Preisverleihungen und Kanzlerspatenstichen. Dazu kommen Nachrichtenübernahmen aus den Hauptprogrammen, und ZDF-Intendant Stolte steuert seine Landschafts- und Tierfilme bei. So können sich bald Klaus Kinkel und der kanadische Grizzly auf Phoenix gute Nacht sagen.

Nicht nur das Programm, auch die Struktur des Senders zeigt groteske Formen. Weil überall ARD und ZDF gleichermaßen versorgt sein wollten, wurde ein Wasserkopf mit allerhand Doppelspitzen geschaffen. Bei der ARD müssen gleich elf Anstalten mit lukrativen Posten versehen werden, weshalb außer dem WDR-Phoenix-Chef Klaus Radke immer noch keine ARD-Redakteure da sind. Auch politisch muß alles stimmen. In der ARD verlangt der seit jeher geltende Rot-Schwarz- und Intrigenkoeffizient nach Einhaltung, derweil das ZDF wie gewohnt fast durchgehend Schwarz abliefert. Der Mainzer Intendant Dieter Stolte, dessen Fernsehrat mit Staatskanzleivertretern nur so vollgestopft ist, hat es geschafft, bei Programm und Personal nötige Rücksichten zu nehmen und seinem Sender so die Kooperation mit dem roten WDR erträglich zu machen. Was die Gremien anbelangt, ist das von beeindruckender Statik – effektiv kann es da nicht auch noch sein.

Weil somit der Mißerfolg abzusehen ist, denken weitsichtige Strategen in den Sendern durchaus darüber nach, wie man Phoenix in einen Nachrichtenkanal umwandeln kann. Was Erfolg verspräche, aber politischen Mut erfordert, der den Anstalten einstweilen fehlt. Lutz Meier

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen