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■ ScheibengerichtMaurice El Medioni

Café Oran (Piranha)

„Eine häßliche Stadt“, befand Albert Camus lapidar. Er lebte in Oran zur Zeit der deutschen Besatzung und hinterließ der Stadt und ihrer Bevölkerung mit „Die Pest“ ein literarisches, nicht allzu freundliches Andenken. Daß „die Leute von morgens bis abends arbeiten und die Zeit, die ihnen zum Leben bleibt, beim Kartenspiel, im Café und mit Geschwätz vertun“, mochte dem Moralisten nicht gefallen.

Bars und Bordelle, Cafés und Casinos sind das Milieu, in dem sich in Oran seit den zwanziger Jahren jene eklektische Mischung regionaler und moderner Känge formierte, die später als „Rai“ bekannt und im Pop-Format durch den derzeit wohl bekanntesten Sohn Orans, Khaled, in alle Welt exportiert werden sollte. Der jüdische Pianist Maurice El Médioni kann als Khaleds Vorgänger im Geiste bezeichnet werden, kombinierte er doch bereits in den Vierzigern arabisch- andalusische Töne mit französischem Chanson-Charme und frisch importierten Kuba- und Boogie- Rhythmen der amerikanischen Befreier zu einer neuen Melange – zum „Rai Rock Rumba“.

Weil nur in jüdischen Cafés der Alkoholausschank erlaubt war, wurden diese zu Zentren des Austausches in einer multikulturellen Stadt, die beileibe kein melting pot war, sondern sich säuberlich in jüdische, arabische, französische und spanische Quartiere teilte. Wenn sich doch etwas vermischte, so im Bereich der frei flotierenden Musik, wo nicht die Herkunft, sondern nur die Tanzbarkeit zählte. Und so folgt der 68jährige El Médioni noch heute, beim nostalgisch-frischen Oran-Revival flankiert von einer Garde Routiniers aus dem Berliner Piranha-Stall, den Imperativen swingender Kaffeehausmusik.

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