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„Und dann wird alles gut“, sagt Milosěvić

■ Serbiens Präsident verbreitet vor der morgigen Abstimmung über das Wahl-Sondergesetz Optimismus. Doch die Opposition verlangt Änderungen

Belgrad (AFP/rtr) – Vor der morgigen Abstimmung über das Sondergesetz zur Anerkennung der Kommunalwahlergebnisse in Serbien haben sich die Fronten erneut verhärtet. Vertreter der Opposition kündigten am Samstag an, sie wollten drei Änderungsanträge zu dem von Präsident Slobodan Milošević zugesagten Gesetz stellen. Beobachter werteten dies als klares Zeichen des Mißtrauens gegen den Präsidenten.

Die Opposition kritisiert unter anderem, daß in vielen Gemeinden den vorläufigen Ergebnissen zufolge gar nicht alle Sitze der Stadtparlamente zu besetzen seien. Vesna Rakić-Vodinelić, eine Rechtsberaterin des oppositionellen Zajedno-Bündnisses, erklärte, in Belgrad lägen nur für 100 der 110 Mandate Auszählungsresultate vor. In Niš, der zweitgrößten Stadt des Landes, sei nie etwas verkündet worden, das als vorläufiges Ergebnis zu bezeichnen wäre. Neben der Anerkennung der Wahlsiege fordert Zajedno vor den für dieses Jahr geplanten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen politische Reformen, freie Medien und unabhängige Gerichte.

Aber auch radikale Nationalisten haben ihren Widerstand gegen das Wahl-Sondergesetz angekündigt. Der Chef der Radikalen Partei, Vojislav Seselj, sagte am Wochenende gegenüber dem unabhängigen Sender B-92, seine Partei werde eine Überprüfung der Gesetzesvorlage durch das Verfassungsgericht verlangen. Die Grundlage für eine Verabschiedung des Gesetzes sei zumindest fragwürdig. Milšević' Sozialisten haben keine parlamentarische Mehrheit und sind auf die Stimmen der Radikalen angewiesen, um Gesetzesvorhaben durchzusetzen.

Milošević selbst gab sich optimistisch. In einem gestern in der griechischen Zeitung To Vima veröffentlichten Interview zeigte er sich überzeugt, daß das Gesetz angenommen wird. „Und dann wird alles gut werden“, sagte Milošević. Auch die Vorwürfe der Opposition gegen die staatlich gelenkten Medien wies er zurück. Zugleich behauptete er, „das Ausland“ übertreibe die Berichte über die Protestaktionen der serbischen Opposition.

Am Samstag, dem 81. Tag der Demonstrationen gegen die serbische Führung, gingen in Belgrad erneut 35.000 Menschen auf die Straße. Protestierende Studenten zogen vor die Gebäude des staatlichen Rundfunks und der regierungstreuen Zeitung Politika.

Unklar blieb zunächst, ob durch die morgige Abstimmung ein Ende der seit zwölf Wochen andauernden Proteste herbeigeführt werden könnte. Sprecher der Opposition ließen bewußt offen, ob sie ihre Aktionen bei Annahme des Gesetzes einstellen oder ihre Proteste erst beenden, wenn die oppositionellen Stadträte in die Rathäuser eingezogen sind.

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