: Verschärfter Straftatbestand
■ Scheinehe kostet Bremer Heiratsvermittler 2.700 Mark / Gewissensbisse der Bräute brachten den Mann vor Gericht
Die beiden jungen Frauen aus Tarmstedt hatten einen Traumdeal im Sinn: 8.000 Mark sollte ihnen die Eheschließung einbringen. Keine Komplikation – und vor allem keinen Ehemann, mit dem sie leibhaftig zu tun haben würden. Das hatte der 35-jährige Andreas L., der ihnen gegenüber als Heiratsvermittler im Nebenjob aufgetreten war, versprochen. Deshalb fiel dessen Angebot „Scheinehe“ im Sommer –95 bei den finanziell klammen, arbeitslosen Freundinnen auf fruchtbaren Boden.
Erst nach der Rückkehr aus Neu-Dehli und der Hochzeit mit einem fremden Inder waren Heiratskandidatin Nummer eins ernste Zweifel am Deal gekommen. So ernst, daß sie schnurstracks zur Anwältin ging. Die riet zur Selbstanzeige, um danach die Eheschließung lösen zu können. Nicole G. setzte den Rat um. Kaum einen Monat nach der standesamtlichen Trauung in Indien offenbarte sie sich der Zevener Polizei. Damit brachte sie den ehemaligen Geschäftsspartner gestern vor Gericht.
„Ich habe noch nie etwas Unrechtes getan“, begründete die 21jährige ihre Gewissensbisse vor dem Amtsgericht offenherzig. Naja, auch die vereinbarte Summe sei nur in stockenden Raten eingetroffen – stattdessen aber ein Schreiben vom Sozialamt, in dem die junge Frau angepflaumt wurde, warum sie die Eheschließung nicht gemeldet hätte. Offenbar habe der Angetraute sich um die Einreise nach Deutschland bemüht.
In diesem Moment muß Nicole G. begriffen haben, daß der Aufenthalt „in dem großen Haus in Neu-Dehli, wo viele Menschen saßen und Formulare ausfüllten“, mehr war als nur ein unverbindlicher Ausflug. Obwohl die amtliche Trauung schon mit dem Bestätigen ihres Geburtsdatums erledigt war – „in einem Raum, in dem ein einzelner Mann saß.“ Dorthin sei sie mit dem ihr als Ehemann vorgestellten Inder geführt worden. „Alles war vorbereitet.“
Zu ähnlichen Bedingungen sollte auch die 25jährige Freundin von Nicole G. heiraten. Dafür war sie mit zwei weiteren Heiratskandidatinnen aus dem Bremer Umland in den Flieger nach Dehli gestiegen. „Herr L. hat uns vorher noch 500 Mark zum Einkaufen gegeben“, bestätigte auch sie. Allerdings – zur Heirat zwischen ihr und einem Auserwählten kam es nicht. Einer dritten Deutschen fehlte ein Dokument; die offenbar geplante Gruppentrauung kam nicht zustande. Nach zehn Tagen Dehli entschieden sich die unbedarften Frauen zur Abreise. „Ganz alleine“ seien sie zum Flughafen gefahren, staunte Heiratskandidatin und Zeugin Nummer zwei noch gestern. „Wir hatten Angst, da vielleicht nie wieder wegzukommen.“ Ja, auch sie habe Gesprächen entnommen, daß Herr L. Provision durch seine Vermittlertätigkeit erhalte, antwortete sie dem Richter. Wieviel und wie oft – dazu konnte auch sie keine Angaben machen.
Das tat auch der Angeklagte nicht. Erst am Ende der gerichtlichen Beweisaufnahme räumte er die Vorwürfe ein. Dann schwieg er weiter. Dem Richter reichte das Gehörte für ein Urteil. 90 Tagessätze a 30 Mark muß der angeklagte Umschüler für „die versuchte Einschleusung“ der beiden Inder zahlen – für einen Straftatbestand, der mit der Reform des Ausländergesetzes 1994 verschärft wurde. Dabei habe die Verhandlung gezeigt, wie schwer die Verfolgung des Deliktes sei, so der Richter. ede
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen