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Ausgestelltes Mißverständnis

■ Manifestöse Präsentation: „Birth Of The Cool“ in den Deichtorhallen

Eine Epoche und ein Sujet unter einer sehr subjektiven Fragestellung zu untersuchen, ist meist ein Gewinn für den Konsumenten. Endet diese Herangehensweise aber in einer Behauptung, dann wird die Beweisnot schnell so groß, daß den Einwänden keine Grenzen gesetzt sind. Auf diesem Grat bewegt sich die Ausstellung Birth Of The Cool in den Deichtorhallen, die versucht, die amerikanische Malerei dieses Jahrhunderts unter dem, der Musikkultur entlehnten, Begriff der Coolness zu interpretieren.

In ihrer manifestösen Präsentation reizt die Ausstellung, konzipiert von der Schweizer Parkett-Redakteurin Bice Curiger, erst einmal zu gehörigem Widerspruch. Denn die notorische Verwechslung von Kühlheit und Coolness scheint hier als großes Mißverständnis abgebildet zu sein. Die kalte Naivität von Alex Katz etwa oder die Kitsch verkitschende Ornamentik von Philip Taaffe sind im Diskurs der Malerei gefangene, intellektuelle Provokationen, die mit der Entwicklung des „coolen“ Lebensentwurfs seit Miles Davis' Album Birth Of The Cool nur sehr lose Bande verknüpft.

Daß Coolness die selbstbewußte Verbindung von Sex und Distanz, von Stil, Mode und Klugheit bedeutete und zudem traditionell eine abgrenzende Selbstdefinition der Schwarzen gegen die Weißen ist, spiegelt sich in dieser Malerei nirgends wieder. Alle hier versammelten Künstler sind weiß und nur in Ausnahmen – Andy Warhol – überhaupt mit der Musikkultur in Verbindung zu bringen. Ein schwarzer Maler wie Jean-Michel Basquiat, der einem im Assoziationsrahmen von Birth Of The Cool eigentlich als erster einfallen müßte, taucht überhaupt nicht auf.

Sucht man statt dessen in den Gemälden nach der Unsicherheit weißer Künstler im Umgang mit afroamerikanischer Kultur, so wird man eher fündig. Die feine Verästelung des Coolness-Diskurses in den letzten fünfzig Jahren und die sich wandelnden Bedeutungsschemen treten aus dieser Perspektive klarer hervor. Pollock zum Beispiel läßt sich, wenn überhaupt, dem Be und Hard Bop zuordnen und sicherlich nicht der Eroberung und Verwandlung des aristokratischen Terrains der Weißen durch schwarze Cool-Jazz-Musiker. Und Barnett Newmans Colour-Field-Paintings gehören auf jenes weiße Tableau kultureller Selbstgewißheit mit akademischer Rückversicherung, das dem neuen Selbstbewußtsein einer schwarzen Bohème als Gegenpart dienen konnte. Wildheit hier, Steifheit dort, beides sind lediglich Teilmengen von Coolness.

So stellen sich in den vielen offensichtlichen Widersprüchen dieser Präsentation neue, spannende Fragen, die allerdings ein konzentriertes Eindringen in die beiden hier verknüpften Bereiche verlangen. Eine Aufgabe für einen Katalog also, der dazu leider wenig Befriedigendes leistet. Viel zu schnell huschen die Beiträge und Künstlergespräche in die kunstinterne, selbstbezügliche Rede zurück und lassen eben dieses Feld offen, das zu besetzen die Ausstellung vorgibt. Der Betrachter ist also selbst gefordert. Till Briegleb

Südl. Deichtorhalle, bis 11. Mai

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