: Tradition in Ton
■ Eine Künstlergruppe aus der Hochschule für Künste wiederbelebte eine alte Keramik-Technik / Dabei entstand die „neue Fayence“ und die Möglichkeit zum amüsanten Ausstellungsrundgang
Ein Topf voll Schnittlauch, mit Spiegelei-Steckern aus glasierter Keramik drapiert wie die Karikatur eines Osterstraußes von Eduscho. Gegenüber vier wurstförmig verschlungene Haufen, wie Hundekot auf weißen Kacheln. Auf dem Treppenabsatz ein Ensemble überdimensionaler, braun glänzender „Schogetten“-Stücke. An einer Wand vier Puppen, wie Aufblas-Objekte aus dem Sexshop. Etwas weiter zwei Stapel sorgfältig gefalteter T-Shirts aus Ton. So heterogen präsentiert sich die aktuelle Ausstellung der Städtischen Galerie im Buntentor, in der die Resultate eines zweijährigen Projekts der Bremer HfK mit dem Titel „neue Fayence“ zu sehen sind.
Gemeinsam mit ihren StudentInnen haben sich die Professoren Fritz Vehring (Plastik) und Karl Heinrich Greune (Malerei) aufgemacht, die uralte Technik der Fayence wiederzubeleben und der mit Zinnglasur bemalten Keramik einen neuen Platz in der Kunst zu erobern. Die zentrale (und bisher eher verneinte) Frage dabei: Taugt diese einst von den Persern entwickelte und über die Kacheln der Mauren und Holländer bis zum Tisch-Zierrat des Rokoko weit verbreitete Gebrauchskunst-Technik auch für die hohe, freie Kunst? Wenn man der Eröffnungsrede von Bettina Zöller-Stock vom St.-Annen-Museum in Lübeck glauben will, sehr wohl. Sie nämlich fand, daß die Fayence in der Bremer Ausstellung „für diesen historischen Augenblick das Antlitz der Avantgarde angenommen“ habe.
Was freilich eine maßlose Übertreibung ist. Denn avantgardistisch ist in dieser Ausstellung so gut wie nichts. Weder die Bonbons und „Haribo-Konfekt“-Stücke von Ute A. Fischer noch die bemalten Kacheln von Kyungsil Park oder die mit ornamental glasierten Köpfen versehenen „Elefantensäulen“ von Rani Marius Le Prince.
Aber Avantgarde ist eben nicht unbedingt das Kriterium, nach dem sich glasierte Keramik-Objekte bemessen lassen. Was besonders deutlich wird bei Betrachtung jener Werke, die von den Hochschullehrern selbst zur Ausstellung beigesteuert wurden. Die nämlich verbleiben ganz im Traditionellen. Entweder als weiß glasierte, in ihrer Kombination mit Kuhköpfen an Melkmaschinen erinnernde Gefäße, mit denen Fritz Vehring deutlich als Berufskeramiker hervortritt, oder als seltsam ins Dreidimensionale gefaltete, wie eine Art „naive Keramik“ anmutende „Gemälde“ von Karl Heinrich Greune.
Ideenreicher als die Professoren zeigen sich da schon einige Studenten. So stellt etwa Ulrike Böhmelmann ein „Kelchfeld“ aus rund einhundert ebenso bunten wie nutzlosen Hohlgefäßen auf den Boden der Galerie, um damit augenzwinkernd auf den einst als Maßstab geltenden Gebrauchswert der Fayence zu verweisen, während Ingo Reinhardt in schöner Korrespondenz direkt daneben ein kreisförmiges Arrangement aus lauter bemalten Halbkugeln – sozusagen als Negativ – präsentiert.
Der hierin anklingende serielle Charakter der Fayence tritt noch deutlicher in den Werken von Isabel Valecka und Ulrike Möhle zutage: Valecka zeigt eine Reihe kleiner karierter Schweine, gestreifter Frösche, gepunkteter Hunde und Küken, die sie mit Hilfe von Backformen gefertigt hat, während Möhle aus einer Reihe überaus sinnlicher Phantasiefrüchte mit teils geschlossenen, teils geöffneten, bunt glasierten Hülsen eine ästhetisch überzeugende Bodenskulptur inszeniert.
All diese Fayencen wirken – sowohl für sich genommen als auch in ihrem Zusammenspiel – wie ein Verweis auf die Welt der Niki de Saint-Phalle mit ihrem „Tarot-Garten“ und den „Nanas“ und machen so den Besuch der Ausstellung zu einem vergnüglichen Rundgang durch eine humorvolle, mit sanfter Absurdität spielende Mixtur „freier Gebrauchskunst“, die ihre handwerkliche Herkunft nie ganz verleugnet.
Aus diesem Konzept fallen lediglich Jörg Bloems Mixed-Media-Objekte aus Ton, Metall und Neonröhren und die mit Fotorasterung auf Fayence spielende Installation von Ingo Reinhardt. Beide zwingen die traditionelle Keramik in einen Dialog mit den zeitgenössischen Medien der Kunstproduktion und beweisen so noch am ehesten den Mut zur Annäherung an so etwas wie Avantgarde. Moritz Wecker
„neue Fayence“ bis zum 9. März in der Städtischen Galerie
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen