: Grunge, geschrubbt
■ „Young and Dangerous III“ von Andrew Lau (Hongkong) im Forum
Hongkong ist erstaunlich. Wo Europäer über Jahrzehnte zuweilen eine Stilrichtung pflegen, begründet man in Hongkong im Januar ein populäres Genre – das der Mafia-Jugendfilme – um es im Dezember wieder abzuschließen. 1996 drehte der 1960 geborene Andrew Lau vier superbunte Jugendgangsterfilme. Dazu gehört auch der „Young and Dangerous III“, der im Forum-Programm lief.
Die Geschichte ist eher rudimentär; es geht um Territorialkriege diverser jugendlicher Triadenbanden, deren Mitglieder unglaublich jung, schön und völlig durchgedreht werbefilm- oder MTV-mäßig ausschauen, es geht um die Ehrenkodexe der Unterwelt in einer durchgehend künstlich bonbonfarbenen Umwelt. Die HeldInnen des Films sind bis zur Karikatur typisiert. Gleichzeitig kopieren sie in ihrem Outfit amerikanische Popvorbilder und scheinen sie als Kopie – wenn ein schmaler Mafia-Jüngling als Wayne aus „Wayne's World“ herumrennt – verhöhnen zu wollen. Alle westlichen Jugendstile der letzten Jahrzehnte sind als Zitat vertreten, ohne die existenziellen Spuren, die das Leben auch in den Gesichtern der Stars der westlichen Popkultur hinterlassen hat. Grunge-Helden oder Punks – in einem westlichen Popfilm wäre die Sauberkeit der supergesunden Gesichter Anlaß zur Wut –, hier staunt man vor allem über die Assimilationskraft der Helden, die bei einem Besuch in Amsterdam auch noch in Ajax-Fankluft herumrennen.
„Young and Dangerous III“ beginnt als Teenagerkomödie à la „Eis am Stil IV“, um in recht brutalen Szenen zu enden, die in amerikanischen Mainstreamfilmen undenkbar wären. Scheinbar Unvereinbares vermischt sich problemlos. Daß man irgendwann fast die Brustwarze einer Heldin sieht, scheint skandalöser zu sein als eine Szene, in der ein Teeniemädchen aufs superbrutalste zusammengeschossen wird. Am Rande geht es auch um die demnächstige Übergabe Hongkongs an China. Alles sehr seltsam und superbunt; die special effects, in denen sich der Kungfu-Film zu Tode erschöpfte, wurden mittlerweile durch realistischere Massenschlägereien ersetzt. Ärgerlich nur, daß man es nicht für nötig hielt, einige chinesische Kapitelüberschriften (?) zu übersetzen. Alle lachen, und der Zuschauer, der des Chinesischen nicht mächtig ist, war mal wieder der Dumme. Detlef Kuhlbrodt
„Young and Dangerous III“. Hongkong 1996, 98 Min., Regie: Andrew Lau Wai-keung. Mit Cheng Yee Kin, Jordan Chan, Gigi Lai u.a.
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