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Kinderspiele, Mädchenhandel

■ Schurken gibt es aber keine: „Marion“ von Manuel Poirier im Panorama

In seinem dritten Spielfilm führt uns der französische Regisseur Manuel Poirier in ein Dorf in der Normandie. „Marion“ erzählt die Geschichte zweier benachbarter Familien: die eine arm an materiellen Gütern, aber reich mit Kindern gesegnet; die andere wohlhabend, aber kinderlos. Und obwohl der Film auch vom Kontrast der sozialen Schichten lebt – karierte Plastiktischdecke versus Spitzentischtuch –, entspinnt sich der Konflikt doch an anderer Stelle: Die reiche Frau (Marie-France Pisier) sehnt sich nach einem Kind, da kommt die Nachbarstochter Marion gerade recht.

Die unbefangene Marion sieht den Besuch nebenan als hübsche Abwechslung an: Pianostunden und Ausflüge ans Meer sind einfach schöne neue Spiele. Doch schließlich wird sich alles auf die Frage zuspitzen, ob Marion mit den Reichen nach Paris ziehen soll, um dort auf eine gute Schule zu gehen.

Regisseur Poirier wertet das Geschehen nicht: Schurken sucht man in dem Stück vergeblich. Der Film nimmt sich viel Zeit für seine Protagonisten; manchmal so viel, daß er den Hauptstrang der Geschichte aus den Augen verliert. Da sind dann plötzlich Marions Vater und sein Ärger mit dem manipulierten Stromzähler wichtiger oder die Probleme von Marions pubertierender Schwester. Poirier beobachtet genau, aber unaufdringlich: In den dramatischen Momenten zieht er die Kamera lieber zurück, als daß er seinen Figuren zu nahe tritt.

Höhepunkt ist ein tragikomisches Abendessen zu viert, bei dem endlich die entscheidende Frage gestellt werden muß. Den ersten Teil des Diners hat Poirier in nur einer Einstellung gedreht: In einer Halbtotalen sieht man die Erwachsenen am Tisch sitzen, steif, mit gesenkten Köpfen und immer um den heißen Brei herumredend. Die Kinder indessen wissen längst Bescheid. Als die Eltern heimkommen, fragt die Älteste: „Na, habt ihr Marion an die Pariser verkauft?“ Lars Penning

„Marion“. F 1996, 105 Min. Regie: Manuel Poirier

Heute: 17 Uhr International

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