: Im Fahrwasser der Konzeptionslosigkeit
■ betr.: „Schwarz-Grün könnte ein Zukunftsprojekt sein“, taz vom 11. 2. 97
[...] Was die schwarz-grüne Fixierung des Herrn Metzger betrifft: Es wäre für die Bündnisgrünen ein Selbstmordkommando, wenn sie auf der Bundesebene mit der abgewirtschafteten, unsozialen und antiökologischen CDU koalieren wollten: Die CDU ist nach wie vor die Partei, die an der Option des Atomenergiebaus festhält und insbesondere den kleinen Leuten ungeniert in die Taschen greift.
Wenn die Positionen von Metzger repräsentativ für die Haushalts- und Wirtschaftspolitik der Bundnisgrünen sind, dann gute Nacht! Es ist zu hoffen, daß dieser reaktionäre Spuk mit der Aufstellung der KandidatInnenliste für die nächste Bundestagswahl beendet wird. Herr Metzger sollte seiner Exkollegin Lengsfeld schleunigst in die CDU folgen! Roswitha Matern, München
[...] In dankenswerter Offenheit stellt Oswald Metzger klar, was er von den Grünen will: Umwandlung zur potentiellen Mehrheitsbeschafferin für die CDU. Die regelmäßigen Treffen mit CDU-Yuppies beim Edelitaliener in Bonn haben wohl ihre Spuren hinterlassen: Da fordert Herr Metzger den Umbau des Sozialstaates, Steuersenkungen für die Reichen und neue Konzepte in der Wirtschafts- und Finanzpolitik – Ähnlichkeiten mit Westerwelle & Co. sind wohl beabsichtigt, will er sich doch „als dritte Kraft etablieren, deutlich vor der FDP“.
Wer hat denn über seine Verhältnisse gelebt? Doch wohl nicht die Masse der Arbeitnehmer und Arbeitslosen. Daß die Renten- und Arbeitslosenversicherung schlingert, hat doch wohl diese Regierung zu verantworten, die versicherungsfremde Leistungen daraus bezahlt, statt sie aus dem Steuersäckel zu finanzieren. Und die steigenden Kosten im Krankenwesen? Wahrscheinlich sind die Krankenpfleger und Arzthelferinnen mit ihren üppigen Gehältern an der Misere schuld, oder? [...]
Arbeitsplatzvernichtung, Arbeitshetze und Lohnraub für die Verbleibenden – deutsche Realität. Aber davon will Herr Metzger anscheinend nichts wissen, statt dessen plädiert er dafür, daß die Grünen aus „ihrer Anfangsidentität raus müssen“ – weg mit Gewerkschaftern, Ökos und Exoten, die stören ihn nur bei der Ökologisierung der Wirtschaft! Kohl und Metzger werden es schon richten.
Auf dem Weg dorthin sucht er schon die Gemeinsamkeiten mit der CDU in der Steuerfrage: Großzügig tritt Herr Metzger für die Steuerfreistellung von Rentenversicherungsbeiträgen ein, um auf der anderen Seite die Nachtarbeitszuschläge besteuern zu wollen – alles unter der Fahne der Steuergerechtigkeit. Daß dabei die Arbeitnehmer wieder einmal die Zeche zahlen sollen, scheint ihm egal zu sein – es ist ja eh nicht seine Klientel.
Natürlich sollen auch die Spitzenverdiener Opfer bringen – sagt er und will die Steuerschlupflöcher stopfen. Nur sagt er nicht, welche Schlupflöcher und wie viele davon er verstopfen will. Ob er übherhaupt alle kennt? Nun, als Haushalts-„Experte“ wird er es schon richten, denkt man. Falsch gedacht! Wer als „Experte“ vom „zu versteuernden Bruttoeinkommen“ redet, sollte sich erst mal ein neues Steuergesetz kaufen – ein solches „zu versteuerndes Bruttoeinkommen“ gibt es nämlich nicht – das Steuerrecht kennt nur ein „zu versteuerndes Einkommen“ (§ 2 Abs. 5 EStG)!
„Nichts bleibt, wie es war“, sagt Herr Metzger. Recht hat er, leider. Den Grünen als Partei droht die Machtübernahme der Schwarzen und Sprücheklopfer. Es wird Zeit, nach Alternativen zu suchen. Detlef Pieske-Kontny, Berlin
Ach Oswald, was les' ich da: „In einer schwarz-grünen Koalition könnten wir (der meint mich glatt mit) die Ökologisierung der Wirtschaft stärker forcieren.“ Steht da.
Als Malocher les' ich da folgendes. Da sitzt einer satt und rülpsend in einem Sessel und glaubt tatsächlich, es gäbe noch großartig was zu „ökologisieren“. Oder isses doch nur der Sessel? Egal wie, wach auf, Mann! Kapier, daß es keinen Sinn macht, an der real existierenden Katastrophe, innerhalb ihrer Gesetzmäßigkeit, auch noch rumzuzimmern. Bißchen Volksbildung und -nähe täten hier wohl not. Wir, die Menschheit, brauchen gänzlich neue Ideen, die wir auf den abgelatschten Wegen nimmer finden werden. Empfehle dem Herrn ein paar Kapitelchen aus „Die Antiquiertheit des Menschen“, von Günther Anders, Bd.2. Frank Becker, Berlin
[...] Ich meine, da hat einer die Zeichen der Zeit noch nicht verstanden und schwimmt im Fahrwasser der Konzeptlosigkeit von Kohl und Waigel. Man kann nicht – wie Metzger – den Spitzensteuersatz senken wollen, um damit „ausländische Investoren anzulocken“, ohne zu wissen, was die hier noch produzieren sollen. Wenn die Besteuerung von Schicht- und Nachtarbeitszuschlägen nur dem Abzocken für die Bundeshaushaltskasse dient, dann blockiert dies jede Entwicklung zu humaneren und gesünderen Arbeitsplätzen und -zeiten, damit zu neuen, dringend nötigen Beschäftigungsverhältnissen. Auch der Hinweis Metzgers auf die Notwendigkeit eines „Heulens und Zähneklapperns durch alle gesellschaftlichen Gruppen“ auf dem Weg zur steuerlichen Gerechtigkeit ist fehl am Platz, wenn diese angebliche Gerechtigkeit lediglich den Bundesfinanzen zugute kommen soll. Mit solchen Gedankengängen suggeriert Metzger, Gürtel-enger-schnallen für viele bei Schonung der Wirtschaft und weniger, Haushaltssanierung beim Bund und Wirtschaftskonzepte für das nächste Jahrtausend, in dem dann ein schwarz-grünes, gar goldenes Zeitalter anbrechen könnte.
Je näher das Wahljahr rückt, um so mehr scheint bei einigen Grünen der Realitätssinn zu verkümmern, wodurch die wirklich zentrale Problematik des ausgehenden Jahrhunderts ausgeblendet scheint: nämlich die Gleichzeitigkeit der Zerstörung von Arbeitsverhältnissen und von natürlichen Lebensgrundlagen. Diese miteinander gekoppelten Zerstörungsprozesse, ausgelöst durch eine globalisierte Gier nach Geld und Wachstum, müssen bekämpft werden. Die herkulische Arbeit der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit von faktisch über sechs Millionen in Deutschland, von Zigmillionen in den Industriestaaten und die nicht minderschwere Arbeit der Bekämpfung der Zerstörung der Lebensgrundlagen unserer Kinder und Enkel wird nicht zu leisten sein mit handgestrickten Koalitionen, welcher Couleur auch immer.
Die Debatte um Macht und Koalitionen verschleiert vielmehr ganz bewußt das Gigantische der Problemlage. Zu ihrer Lösung wird weder der Rheinische Kapitalismus – auch nicht mit grüner Beteiligung – noch der Bonner Parlamentarismus fähig sein. Vielmehr muß hierzu eine Transformation des allein auf Wachstum und Naturausbeutung, auf falschem Fortschritt und auf Maßlosigkeit aufgebauten Zivilisationsmodells vollzogen werden. Hierzu gilt es, die gesellschaftlichen Kräfte zu sammeln und zu verbreitern, denen Begriffe wie Solidarität mit Mensch und Natur noch nicht zum Fremdwort wurden. Die Koalition dieser Menschen wird nicht mehr mit der herkömmlichen Farbenlehre zu beschreiben sein! Einem schwarz-grünen Zukunftsprojekt wäre sie diametral entgegengesetzt! Und im übrigen: Angesichts unserer historischen Erfahrungen sollte man mit Konzepten von Jahrtausendprojekten vorsichtig sein. Jürgen Rochlitz, MdB, stellvertr.
Vorsitzender Umweltausschuß
[...] Die Theorien über die oh soviel besseren Möglichkeiten einer Zusammenarbeit mit der CDU/ CSU als mit der SPD kann ich nicht so recht nachvollziehen. Mag sein, daß ich die Steuerfachleute der Union und der Wirtschaft noch nicht mal vom Sehen her kenne (geschweige denn vom gemeinsamen Büffetieren) und mein Bild von diesen Herrschaften daher deutlich mediengeprägt ist – aber ich kann mir nun wirklich keine Koooperation mit Leuten vorstellen, die den shareholder value über alles stellen und als wahres Allgemeinwohl predigen (auf die immer noch burschenschaftsgeprägten „Recht und Ordnung“-CDU- Mehrheits-Fundis braucht mensch noch gar nicht zurückgreifen, um die Absurdität dieser Spekulationen zu verdeutlichen)!
[...] Die Schlußpassage, in der O. M. Bündnisgrüne vom Potential bei maximal 15 Prozent taxiert, kann auch nicht unwidersprochen stehenbleiben.
Statt auf dieser Minibasis eine Konsolidierung und eine optimierte Vertretung gutsituierter Klientel anzustreben, sollte vielmehr offen der Diskurs dahingehend geführt werden, ob nicht Bündnis 90/Die Grünen der SPD den Rang als „die“ große, linke Volkspartei streitig machen sollten, auch und gerade mit dem Risiko, als die Partei der gesellschaftlichen „Loser“ dazustehen: Im System Kohl gibt es mittlerweile genügend „Loser“, um daraus Mehrheiten zu bilden! Peter Jung, Sprecher
des Grünen Jugendstammtisch
Frankfurt/Main
Es ist schon erstaunlich, daß immer, wenn die Chance besteht, durch eine linke Mehrheit den Übervater Kohl in den Ruhestand zu versetzen, die linken Parteien sich selbst um eben diese Chance bringen (reden, quatschen). [...] Ich sitze hier im Knast und sehe täglich, wie Ausländer abgeschoben werden. Dann sind hier bis zu 90 Prozent Gefangene, die wegen Konsums irgendwelcher Drogen die Jahre absitzen. Viele sind aidskrank, haben Hepatitis A, B und C durch unsaubere Spritzen, was der Drogenpolitik der CDU/CSU zuzuschreiben ist.
Eine derartige Anbiederung der Grünen ist ekelhaft. Das hätte mal einer sagen sollen, als die Grünen damals anfingen, daß sie mit der CDU gemeinsame Sache machen würden. Tränen hätten wir gelacht über eine solchen Scherz. 1998 ist es vielleicht bittere Realität. [...] Bleibt nur noch der Gregor. Michael, JVA Bernau
Dem bündnisgrünen Yuppie Oswald Metzger sei Dank wissen wir jetzt, daß es sich bei den WählerInnen seiner Partei um gut verdienende ImmobilienbesitzerInnen und Freizeitlinke handelt, die für Gerechtigkeit und Solidarität mit Minderheiten eintreten, solange es ihnen materiell nicht wehtut. Wenn dem wirklich so ist, dann habe ich in den vergangenen Jahren mein Kreuz wohl an der falschen Stelle gemacht.
Könnte aber auch sein, daß MdB Metzger im falschen Verein ist, es nur noch nicht gemerkt hat und daher der aberwitzigen Idee verfallen ist, die „Partei der Frustrierten, Exoten, Gewerkschafter und Ökos“ in eine FDP mit ökologischem Touch verwandeln zu können. Sollten allerdings Metzgers Vorstellungen bei den Grünen mehrheitsfähig werden, so gibt es ja für unverbesserliche Gesinnungslinke gottlob immer noch die Alternative PDS. Uwe Tünnermann, Lemgo
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