Neuer Schweizer Anlauf Richtung EU

Unterschriftensammlung zu einer Volksabstimmung über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen erfolgreich. Zwei Europa-Abstimmungen konträrer Färbung stehen schon an  ■ Von Andreas Zumach

Genf (taz) – Die Schweiz wird in naher Zukunft erneut über die Aufnahme von Verhandlungen über einen Beitritt zur EU abstimmen. Die Volksinitiative „Ja zu Europa“ legte der Berner Bundesregierung bis gestern 106.442 gültige Unterschriften für einen Volksentscheid vor. Regierung und Parlament müssen jetzt ihre Haltung zu dieser Initiative formulieren und einen Termin für die Abstimmung festlegen.

Das Volksbegehren für rasche Beitrittsverhandlungen mit der EU wurde im Februar 1995 von fünf proeuropäischen Organisationen lanciert, darunter der Kampagne „Geboren am 7.Dezember 1992“. An jenem Datum hatten die Schweizer mehrheitlich die Mitgliedschaft ihres Landes im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) abgelehnt, der aus den EU-Staaten und den sieben Mitgliedsländern der Europäischen Freihandelszone (Efta) gebildet werden sollte. In der Folge wurden die Efta-Mitglieder Finnland, Schweden und Österreich Vollmitglieder der EU. Die Efta verlor mit ihren vier Restmitgliedern Schweiz, Norwegen, Liechtenstein und Island erheblich an Bedeutung.

Zur Abstimmung stehen in der Schweiz derzeit auch noch zwei andere Europa-relavante Initiativen: Eine von den antieuropäischen rechten Parteien „Schweizer Demokraten“ und „Lega dei Ticinesi“ formulierte Initiative „Beitrittsverhandlungen vors Volk!“, deren Ablehnung Regierung und Parlament dem Volk empfohlen haben; und eine Initiative „Für unsere Zukunft im Herzen Europas“, die einen erneuten Anlauf zur EWR-Mitgliedschaft verlangt. Diese Initiative stieß bereits auf Ablehung der Regierung.

Bei den Abstimmungen zu europäischen Themen zeigte sich in den letzten Jahren jeweils ein deutlicher Riß zwischen den Sprachregionen des Landes. Während eine Annäherung an Europa in den deutschschweizerischen Kantonen überwiegend auf Ablehnung stieß, fand sie in den französischsprachigen Kantonen der Westschweiz sowie zumeist auch im italienischsprachigen Tessin eine Mehrheit.

Es ist damit zu rechnen, daß der Riß zwischen den Sprachregionen bei künftigen Abstimmungen wächst. Ein Grund ist die Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage, die vor allem in der Westschweiz auch auf die „Isolation“ der Schweiz zurückgeführt wird. Zum zweiten hat die Schweiz bei den bilateralen Verhandlungen mit der EU über Personenfreizügigkeit und Verkehrsfragen wenig durchsetzen können. Insbesonders bei der Frage der Verlegung von Lastwagenverkehr auf die Schiene mußte Bern unter dem Druck Deutschlands und Italiens erhebliche Konzessionen machen.