: Kreuzzug gegen das normale Hören
■ Die Vorschau: Bremens innovativstes Trio Die Auch tourt zum letzten Mal durch die Republik
Am Ende ihrer Karriere brauchen sogar Die Auch ein wenig Harmonie. Die innovativste Bremer Band der 90er Jahre zieht es auf ihrer letzten Tour zurück zur halbwegs normalen Musik. Und das, obwohl Die Auch genau der vor vier Jahren eigentlich den Krieg erklärt hatten.
„Das Ziel war es, Ohren für andere Sachen öffnen“, erinnert sich Schlagzeuger Henning. Er und seine Mitstreiter Frank und Lumpi beschlossen deshalb, fortan die Nabelschau der Szene mit gemeiner Musik zu stören. Um erhöhte Hörer-Aufmerksamkeit einzufordern, mühten sich Die Auch bei ihrem Kreuzzug gegen das normale Hören wie kaum eine andere Band. Man tauschte ständig die Instrumente und räumte mit althergebrachten Spannungsbögen im Songaufbau auf. Mal tauchte ein unglaublich schönes Einleitungsmotiv gar nicht mehr, dann nur halb oder brutal verhackstückt wieder im Songablauf auf. Dann wieder erwies sich eine scheinbare Strophe nur als ein Ablenkungsmanöver, das vom wirklichen Hauptteil abgelöst wurde.
Gebretter, frei improvisierte Passagen, Jazz- und Neue Deutsche Welle-Schnipsel – alles war erlaubt. Daß Lumpi nach einiger Zeit begann, zu den sorgfältig ausgearbeiteten Chaos-Stücken seine Stimme für ein paar kurze Kinderzimmerslogans zu erheben, war schon die äußerste Anpassung an Liedkonventionen. Allerdings: Titelzeilen wie „Pipi trinken“ oder in Babysprache gehaltene Lieder machten den scheinbaren Inhalt der Tüftelsongs eher noch verwirrender. Ein Demotape und die noch um einiges wildere Platte „Doch Doch“ sind akustische Zeugnisse der Aufbruchsperiode, in der Die Auch beinahe jedes Wochenende auf irgendeiner Bühne dem stumpfen Song an sich eins auswischten. Das große Interesse an den ebenfalls schwer verdaulichen Die Auch-Nachfolgebands 12 Kappen Wasser oder Frisieren belegt, daß es Die Auch mindestens in Bremen gelungen ist, Hörgewohnheiten aufzubrechen.
Wegen persönlicher Differenzen löst sich die Band nun auf, aber den eigenen Ansprüchen haben die Bremer mehr als genügt. Deshalb können es sich Die Auch nun leisten, viel entspannter zu klingen. „Die Musik ist horizontaler geworden,“ sagt Henning. Will heißen: Das ständige Wiederholen von Klangmotiven sorgt jetzt für eine Spannung, die an die mitreißende Monotonie von Stereolab erinnert. Die im letzten August aufgenommene Kassette „Liesenblattwulst“ zeigt, daß Die Auch nicht einmal mehr die permanenten Brüche brauchen, um gut zu sein. „Es klingt schon fast wieder abgefahrener, wenn wir nur einen ganz normalen 4/4-Takt spielen,“ erklärt Henning. Weil der einstige Schockfaktor nicht mehr schockiert, schwelgen die drei in wunderschönen Melodien und wippen zu geraden Takten. Nur Lumpi ist ganz verstummt, die Herrlichkeit entfaltet sich instrumental. Denn ganz normale Musik zu machen, ist für die drei auch bei ihren letzten Konzerten noch immer unvorstellbar.
L.R.
Die Auch am 20.2. um 20 Uhr zusammen mit den US-amerikanischen Saturn's Flea Collar (kranker Instrumental-Jazzcore von zwei Ex-Victims-Family-Mitgliedern) und den Holländern Megakronkel(frickeliges, kopflastiges Noise-rock-Getöse) im Magazinkeller des Schlachthofs
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