: Schuldzuweisungen
■ Koalition vertagt Entscheidung zur dritten Stufe der Gesundheitsreform
Bonn (taz) – Die Bonner Koalitionsparteien verschoben gestern ihre Entscheidung zur dritten Stufe der geplanten Pflegeversicherung. Bundestags-Ausschußvorsitzender Dieter Thomae (FDP) gab an, die Union habe sich nicht dazu entschließen können, Beitragserhöhungen einseitig zu Lasten der Arbeitnehmer festzulegen. Dies hatte die FDP als Alternative zu den Planungen vorgeschlagen, denenzufolge die Versicherten bei steigenden Kassenbeiträgen automatisch höhere Zuzahlungen entrichten sollten. Ob ein Fraktionsbeschluß in der nächsten Woche möglich sei, hielten die Koalitionspolitiker offen. Die Spitzenverbände der Krankenkassen wandten sich gestern in Bonn gegen die geplante Abschaffung von festen Budgets für ärztliche Versorgungsleistungen. Gert Nachtigal, Verwaltungsratsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes, kritisierte, bei Inkrafttreten der Seehofer-Pläne müßten die Versicherten „ohnmächtig neue Belastungen hinnehmen, ohne wirksam gegensteuern zu können“. Er rechne mit einem Mehrbedarf der Kassen zwischen vier und zehn Milliarden Mark, wenn die Vorschläge der Koalitiondpartner Gesetz werden.
Der Vorsitzende des Verbandes der Angestellten-Krankenkasse, Karl Kaula, meinte, in Zeiten knapper Kassen werde für die Mediziner das Signal auf „Volldampf voraus“ gestellt. Gleichzeitig werde Gesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) langsam unglaubwürdig, wenn er erst die Zahnärzte, dann die Pharmaindustrie, danach Kuren und Krankenhäuser und schließlich die Kassen für die Kostensteigerungen im Gesundheitswesen verantwortlich mache. Die Vertreter der Spitzenverbände der Krankenkassen warfen der Regierungskoalition vor, Geschenke an Ärzte und Pharmaindustrie zu verteilen und die Weichen auf Ausgabenexpansion zu Lasten von Versicherten und Arbeitnehmern zu stellen.
Seehofer hatte die Kassen beschuldigt, für die Kostenexplosion im Gesundheitswesen verantwortlich zu sein. la
Kommentar Seite 10
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen