: Film mit Attitüde
Bloß nicht erwachsen werden. „Knockin' On Heaven's Door“ ist eine weitere Filmkomödie ■ Von Brigitte Werneburg
Vor zwanzig Jahren noch mußte das Kino sterben, damit ein deutsches Roadmovie und ein Männerfilm seinen Anfang nahm. Mittlerweile reicht es aus, wenn Martin Brest und Rudi Wurlitzer sterben. Das ist ein gewaltiger Sprung vom öffentlich Belangvollen zum bloß privat Erheblichen: also auch nur der allenthalben zu beobachtende Gang der Dinge. Sie sollen dadurch erträglicher sein, das gilt heute als ausgemacht. Man möchte dem nicht einmal widersprechen.
Aber einerseits, was heißt schon erträglicher. Und andererseits ist es ja nicht so, daß keine Verluste zu vermelden wären – im Lauf der Zeit. Damals gab es mehr zu sehen. Neben den Darstellern klafften auch mal Lücken, in denen viel Platz war für andere Ansichten und andere Aussichten. Obwohl man zugeben muß, daß auch jetzt in „Knockin' On Heaven's Door“ einiges zu sehen ist. Nicht so sehr an überraschenden als an spektakulären Filmbildern, und darüber, wie man sie genrekonform verpackt.
Regisseur und Drehbuchautor Thomas Jahn schneidet Road- und Buddymovie, Actionfilm, Comedy und Melodram hart, schnell und dicht gegen- und aneinander. Es gibt eine exakt draufgepaßte Musik von der Band Selig und in rauhen Mengen Schauspieler, die schon weit weg scheinen, wenn sie mal in der Halbnahen sind. Oder anders gesagt – „Knockin' On Heaven's Door“ ist ein filmischer Starschnitt.
Zuallererst von Hauptdarsteller, Co-Autor und Produzent Til Schweiger alias Martin Brest und dann von Jan Josef Liefers als sein Kumpel Rudi Wurlitzer. Während Thierry van Werveke, Moritz Bleibtreu, Leonard Lansink und Ralph Herfort als Kriminellen- beziehungsweise Kriminalerpaar aus einem Seyfried-Comic zu stammen scheinen, sind die Cameo-Auftritte von Blade-Runner-Replikant Rutger Hauer, Cornelia Froboess, Hark Bohm, Bernd Eichinger und Sönke Wortmann von mal größerer oder geringerer Bedeutung.
Die aufklärerische Wirkung des Produkts der Mr. Brown Entertainment (Til Schweigers Produktionsfirma) übertrifft allerdings die des Filmverlags der Autoren bei weitem. Denn „Knockin' On Heaven's Door“ zeigt, was Männer in ihren „Pat Garrett und Billy the Kid“- Tagträumen phantasieren. Abgemagert bis auf die Knochen, ohne die pseudophilosophischen Schlenker, die doch nur aufhalten: Bloß nie erwachsen werden, dafür lohnt es sich glatt zu sterben; davonlaufen; einen Riesenhaufen Kohle ergattern, da ist es schon wieder schade, daß man stirbt. Immerhin kriegt man dafür einmal einen Aufenthalt im Hotel de Luxe sowie zwei Frauen auf einmal. Die Polizei verarschen, die Mama (Cornelia Froboess) umarmen, Kleinkriminelle übertölpeln, aber am Ende mit dem Segen des Überpapis, des großen Gangsters Curtiz (Rutger Hauer), doch noch ans Ziel der Sehnsüchte gelangen.
Ans Meer mit seinen glutroten Sonnenuntergängen. Denn um das Meer dreht sich der Small talk im Himmel, und wenn man nie dort war, dann kann man nicht mitreden, was heutzutage tödlicher ist als jede tödliche Krankheit. Die hat Martin Brest und Rudi Wurlitzer fest im Griff, was wenigstens ihr Ankommen im Himmel sicher macht. Ob sie jemals das Meer erreichen mit ihrem geklauten Mercedes-Coupé, mit Henk, dem Belgier (Thierry van Werveke), und Abdul, dem Araber (Moritz Bleibtreu), auf den Fersen, von Kommissar Schneider (Leonard Lansink) und Assistent Keller (Ralph Herforth) ganz zu schweigen, diese Frage liefert dem Film den Plot von ihrem Ausbruch aus dem Krankenhaus, mit dem ihr letztes Abenteuer auf Erden beginnt. Und dem Zuschauer liefert sie eine weiß Gott akzeptable Komödie, die gegen den Rest des Angebots bestehen kann. Auch wenn sie nicht sonderlich überraschend ist, weil sie dem Sterben nichts weiter als den Anschub abgewinnt, so ist sie doch folgerichtig vorangetrieben.
Moritz Bleibtreus Abdul ist hinreißend, und präziser als Hannes Jaenicke kann man den sexy Motorradbullen nicht spielen, der so doof ist, wie es die Polizei bekanntlich nicht erlaubt. Thomas Jahn ist die konsequente Überstilisierung des Zitats, des Ideenklaus und des Klischees gelungen: Obwohl es wieder dieser Buddy-Kram ist, „Knockin' On Heaven's Door“ hat filmische Attitüde.
„Knockin' On Heaven's Door“. Regie: Thomas Jahn. Mit: Til Schweiger, Jan Josef Liefers, Thierry van Werveke u.a., Deutschland 1996, 92 Min.
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