: Anständig, wahnsinnig oder langweilig?
■ Das 4. Baumeister-Forum stellte die Hamburger Architektur zur Diskussion
Mit dem allerfreundlichsten Lächeln, das nur gelegentlich etwas angefroren wirkte, ging es auf dem Podium in der Freien Akademie für Hamburger Verhältnisse hoch her. Vier Architekten waren von der Zeitschrift Baumeister eingeladen worden, sich über die sogenannte „Hamburger Schule“ zu streiten. Gemeint ist damit die Back- und Naturstein-Monumentalität, die wenige, gut beschäftigte Büros hier seit einigen Jahren praktizieren. Zwei ihrer Vertreter, Bernd Gundermann von Kleffel, Köhnholdt, Gundermann und Bernhard Winking, mußten sich dann von den anderen, Jan Störmer (Alsop & Störmer) und Peter Dinse (Dinse Feest Zurl), auch ihre Architektur „um die Ohren hauen lassen“.
Als „wahnsinnig“ bezeichnete Dinse Gundermanns Kehrwiederspitze, deren „gewaltige Mauern so derartig den Blick zumauern“. „Einfach Armut“, „langweilig“ und „zäh“ nannte Störmer die Hamburger Schule. Und Moderatorin Lilli Thurn und Taxis erntete im vollbesetzten Saal die ersten befreienden Lacher, als sie Gundermann, der gerade ausführte, daß man pro Jahrhundert nur ein bis zwei außergewöhnliche Bauaufgaben in der Stadt bräuchte, zu Recht nachfragte, wo die denn entstehen sollten, wenn nicht an der Kehrwiederspitze.
Wie gesagt, man blieb freundlich, aber es wehte doch ein eisiger Wind zwischen den Zähnen, der durch die mittlerweile zwanzigjährige Bevorzugung bestimmter Architekten und eines Baustils in Hamburg entstanden ist, der weder historisch zu begründen noch in einer pluralistischen Gesellschaft ideologisch zu rechtfertigen ist: die Hamburger Schule.
Was die beiden Vertreter dieser Richtung dem zu entgegnen hatten, hörte sich dann auch nur wie das brave Aufzählen der Positionen von Kollhoff und Lampugnani im Berliner Architektenstreit an: Die Masse eines Hauses müsse unten ankommen und es sei ja so schwer, ein „ganz normales“ Haus zu bauen. Schließlich fiel auch noch die Bezeichnung von der „anständigen Architektur“ – Rohrstock-Pädagogik, ick hör dir trapsen.
Als dann Oberbaudirektor Egbert Kossak noch seine uraltbekannte Schallplatte von der „hohen Qualität“ in Hamburg abspulen mußte, stöhnte erst der Saal und dann fand Jan Störmer die richtigen Worte: „Ich hoffe, das hat die Hamburg-Werbung mitgeschnitten.“
So wogte es über brüchige diplomatische Brücken unterhaltsam hin und her und ließ selbst beim unbedarften Zuschauer den Eindruck zurück, daß in Hamburg etwas arg im Argen liegt. Till Briegleb
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