: Streit in Türkischer Gemeinde
■ Nach Verleumdung und Intrigen nach der letzten Vorstandswahl ist eine Spaltung nicht mehr auszuschließen. Streit um Umgang mit Islamisten und Türkischem Bund
In der Türkischen Gemeinde zu Berlin tobt ein Machtkampf, der zur Spaltung des Dachverbandes führen könnte. Bei der Vorstandswahl Ende Januar wurde der langjährige Vorsitzende Mustafa Çakmakoglu nicht wiedergewählt, die Sitzung endete im Tumult und wurde abgebrochen.
Schon im Vorfeld der Wahl war es zu Intrigen und einer Kampagne gegen Çakmakoglu gekommen. Dies gipfelte im Vorwurf, Çakmakoglu habe vor zwei Jahren drei Mädchen bei einem Computerkurs in den Räumen der Türkischen Gemeinde sexuell belästigt. Entsprechende Unterlagen wurden der türkischen Presse drei Monate vor der Wahl zugespielt. Doch den Computerkurs hat es nie gegeben.
Eines der drei Mädchen hat inzwischen schriftlich erklärt, sie sei damals von vier Männern angestiftet worden, Vorwürfe gegen Çakmakoglu zu erheben. Zwei der vier namentlich Genannten waren damals Mitarbeiter der Türkischen Gemeinde. Als dritter wird Taciddin Yatkin genannt, der bei der umstrittenen Wahl Ende Januar zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt wurde.
Yatkin wies gegenüber der taz allerdings entschieden zurück, die Mädchen angestiftet zu haben. Der Rechtsanwaltsgehilfe erklärte, die inzwischen 17jährigen hätten sich damals in Begleitung der beiden Sozialarbeiter an ihn gewandt. Er habe ihnen lediglich geraten, Anzeige zu erstatten. Zwei Mädchen, behauptet Yatkin, erhielten die Vorwürfe aber nach wie vor aufrecht.
Çakmakoglu fordert nun eine Wiederholung der Wahl, weil sie nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Bis zu einer gerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Wahl will Çakmakoglu die Schlüssel zu den Räumen der Türkischen Gemeinde am Kottbusser Tor in Kreuzberg nicht herausgeben. Der neue fünfköpfige Vorstand wirft ihm deshalb die „rechtswidrige Besetzung der Räume“ vor.
Der 45jährige Çakmakoglu stand der Türkischen Gemeinde seit 1990 vor. Er ist CDU-Mitglied und Ausländerbeauftragter von Tiergarten. Sein Verdienst ist es, die Türkische Gemeinde in der deutschen Öffentlichkeit etabliert zu haben. Zu den Mitgliedsorganisationen zählen unter anderem Moscheevereine, der CDU-nahe deutsch-türkische Freundschaftsverein Hür-Türk und der konsulatsnahe türkische Elternverein. Nach eigenen Angaben vertritt der konservative Dachverband 20.000 Berliner Türken. Çakmakoglu gelang es auch, den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) als Mitglied zu gewinnen.
Der neue Vorsitzende Sabri Adak ist bereits seit fünf Jahren stellvertretender Vorsitzender, ist in dieser Funktion allerdings kaum aufgefallen. Der 47jährige wirft Çakmakoglu vor, die Gemeinde in „Alleinherrschaft“ geleitet zu haben. Deshalb habe er sich vor der Wahl mit zwölf Vorständen der insgesamt 22 Mitgliedsvereine zu einer Kungelrunde getroffen. Das Ergebnis: Alle fünf gewählten Vorstandsmitglieder kommen aus diesem Kreis.
Çakmakoglu weist den Vorwurf zurück und kontert: „Religiöse Kräfte übernehmen die türkische Gemeinde.“ Adak gilt wie Çakmakoglu als konservativer Demokrat. Adak hat jedoch enge Verbindungen zur „Ditip“, der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion, die mit vier Vereinen in der Türkischen Gemeinde vertreten ist. Ditip betreibt als staatliche Religionsbehörde allein in Berlin dreizehn Moscheen. Mit Adak, der jahrelang dem Ditip-Vorstand angehörte, dürfte der Einfluß der Ditip auf die Türkische Gemeinde wachsen. Ditip vertritt einen moderaten Islam. Doch seit die islamistische Wohlfahrtspartei mit Necmettin Erbakan den türkischen Ministerpräsidenten stellt, haben Fundamentalisten zunehmend Einfluß auf die Ditip gewonnen. Beobachter schließen nicht aus, daß es zu einer Spaltung der Türkischen Gemeinde kommt. Çakmakoglu werden bei einer etwaigen Wahlwiederholung wenig Chancen eingeräumt. Doch dürfte es dem neuen Vorstand auch nicht gelingen, die gesamte Gemeinde hinter sich zu bringen. Çakmakoglu hat sich jedoch längst eine eigene Machtbasis aufgebaut: Er ist Vorsitzender der „Türkischen Minderheit – Förderkreis der Türkischen Gemeinde“.
Auch sonst ist er ein gefragter Mann: Als das Generalsekretariat des Nationalen Sicherheitsrates der Türkei im Dezember die Gründung eines einheitlichen Dachverbandes aller Türken in Deutschland vorschlug, wurde auch Çakmakoglu kontaktiert. „Über Istanbuler Professoren, die an Vorschlägen arbeiten“, sei er involviert, bestätigt Çakmakoglu. Eine einheitliche Interessenvertretung dürfte aufgrund politischer Differenzen allerdings kaum zustande kommen.
Von der Schwächung der Türkischen Gemeinde wird vor allem der eher sozialdemokratisch orientierte Türkische Bund profitieren. Während Çakmakoglu die Zusammenarbeit mit der Konkurrenz stets ablehnte, ist Adak kooperationsbereit. Dorothee Winden
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