: „Nicht freiwillig in unwürdigen Verhältnissen“
■ Oppositioneller Togolese bangt weiter um Asyl / Kokouvi L. bewegte Gerichts-publikum mit eindringlichem Appell an richterliche Humanität zu spontanem Applaus
Als die sechsstündige Asylverhandlung vor dem Bremer Verwaltungsgericht gestern zuende ging, klatschte das überwiegend afrikanische Publikum im Gerichtsaal Applaus. Zwar hatte der Richter kein Urteil zugunsten des Togoers gefällt, der dort sein Recht auf politisches Asyl hatte geltend machen wollen; das Urteil steht noch aus. Doch hatte sich der 38jährige Kokouvi L., Parteimitglied der oppositionellen Erneuerungsbewegung CAR, mit einer emotionalen Rede als charismatischer Redner in eigener Sache präsentiert – zu einem Zeitpunkt, als der Vorsitzende Richter die Verhandlung schon kurzerhand mit einem klanglosen „eine Entscheidung wird zugestellt“ beendet hatte.
Bis dahin hatte auch die Reporterin der taz einen Platz im vollen Saal errungen, den der Vorsitzende Richter mit Hinweis auf Überfüllung und bereits anwesende Presse zuvor verweigert hatte.
Kampflos aufgeben wollte auch der togolesische Mathematiklehrer nicht. In seinem letzten Appell brachte er seine Enttäuschung über das Gericht zum Ausdruck. Düstere Vorahnungen hätten sich bestätigt, sagte der Mann, der vor 13 Monaten aus einem Togoer Gefängnis über Benin nach Deutschland geflohen war – und dessen Bericht über die Situation der politischen Opposition die Richter zuvor abgelehnt hatten. Selbstbewußt sagte er dennoch, nicht ohne Grund habe sein Anwalt einen – unterdessen abgelehnten – Befangenheitsantrag gestellt. Schließlich sei der negative Prozeßausgang mit der Ablehnung der Prozeßkostenhilfe vorweggenommen worden. Dennoch appelliere er an die Humanität der Richter, sagte L. respektvoll. „Ich will nicht in Deutschland bleiben, bis ich graue Haare habe. Ich habe ein Haus in Lomé, ich lebe nicht freiwillig in unwürdigen Verhältnissen in Deutschland“. Seine Rückkehr nach Togo könne er sich gegenwärtig allerdings nur auf einen Ruf des Parteivorsitzenden der CAR hin vorstellen. Dieser hatte L. Parteimitgliedschaft und Verfolgung schriftlich attestiert. Dies gelte, obwohl er wisse, was ihn in Lomé erwarte, sagte L. Grundsätzlich aber bat er das Gericht um Aufschub. „Ich bin Nationalist. Ich weiß, nur wir können das Land aufbauen.“
Beim Aufbau einer politischen Opposition gegen die Militärherrschaft von Präsident Eyadéma hatte das Leben des 38jährigen L. vor über einem Jahr einen tiefen Riß bekommen. Das geht aus Akten hervor, denen zufolge L. in seiner ersten Anhörung als Flüchtling anerkannt worden war – als glaubhaft und dabei als Ausnahme. Denn erst gestern konnte L. einen ersten schriftlichen Beweis seiner Parteizugehörigkeit vorlegen. „Weil Richter Feldhusen Wert auf substantiierte Beweise legt“, so der Togoer. Dabei wies er darauf hin, daß sich schon am Postweg dieses Dokumentes die Verhältnisse Togo ablesen ließen: „Der Brief kommt über Benin.“ Aber, nein, den Absender, ein Vorstandsmitglied der Partei, habe er nicht um schriftliche Bestätigung von Inhaftierung und Verfolgung gebeten. „Der stärkste Beweis ist doch die Auskunft meines Parteipräsidenten“. Darauf warte er – obgleich das Gericht eine Vertagung deswegen abgelehnt hatte. Nein, auch habe der Absender keine persönliche Notiz beigelegt, antwortete L. den gründlichen Fragen des Gerichts. Nur die geheftete Verfassung Togos habe beigelegen. Warum? „Weil ich darum gebeten habe“, sagt L. schlicht. Auch bitte er das Gericht, doch selbst den CAR-Parteipräsidenten in Lomé anzurufen: „Er wird alles bestätigen. Ich zahle Ihre Auslagen.“
Das Gericht allerdings hatte zuvor bereits auf Zeugenvernehmungen, darunter die des Chefs der CAR-Exilorganisation in Nürnberg, verzichtet. Stattdessen war es scheinbar widersprüchlichen Angaben L.'s zum Fluchthergang und -verlauf nachgegangen. Die allerdings dürften sich kaum detaillierter als bei der ersten Befragung erweisen: Lückenhafte und holprige Übersetzungen des Dolmetschers ließen die schlüssige Darstellung von Kokouvi L. einigermaßen verwirrend erscheinen. Sie führten zu häufigen Nachfragen nach – auf französisch – bereits schlüssig dargelegten Sachverhalten.
ede
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