: EU-Gesundheitsminister warnen weiterhin
■ Klage gegen Pflicht zum Abdruck von Warnhinweisen auf Zigaretten abgelehnt
Karlsruhe (taz) – Die deutsche Tabakindustrie hat in Karlsruhe eine Schlappe erlitten. Auch weiterhin müssen Warnhinweise auf Zigarettenschachteln aufgedruckt werden. Eine Verfassungsbeschwerde von fünf deutschen Tabakkonzernen, darunter die Hamburger Reemtsma GmbH, wurde gestern vom Bundesverfassungsgericht abgelehnt.
Aufgrund einer EU-Richtlinie müssen seit 1991 auf allen Zigarettenschachteln Warnhinweise wie „Rauchen verursacht Krebs“ oder „Rauchen verursacht Herz- und Gefäßkrankheiten“ aufgedruckt werden. Eine deutsche Regelung hatte zuvor nur den allgemeinen Hinweis „Rauchen gefährdet Ihre Gesundheit“ verlangt.
Die Zigarettenunternehmen hatten in ihrer Verfassungsbeschwerde vor allem mit der sogenannten „negativen Meinungsfreiheit“ argumentiert. Niemand könne sie zwingen, Botschaften wie „Rauchen verursacht Krebs“ zu transportieren, wenn sie dies für „objektiv unrichtig“ hielten. Diesen Einwand ließen die acht RichterInnen des Zweiten Karlsruher Senats aber nicht gelten. Schließlich stünden die Warnhinweise nicht isoliert, sondern würden eindeutig den „EG-Gesundheitsministern“ zugeordnet.
In der Verfassungsbeschwerde hatten die Tabakkonzerne geklagt, ihre Packungsflächen würden für „übertriebene Abschreckungsszenarien“ mißbraucht. Tatsächlich aber, so die RichterInnen, stimme der Inhalt der Warnung durchaus mit dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand überein: „Zigarettenrauchen ist in den Industrieländern die häufigste und wissenschaftlich am deutlichsten belegte Einzelursache für den Krebstod.“
Eigentlich war das deutsche Verfassungsgericht für die Frage gar nicht zuständig, da die Kennzeichnungspflicht auf eine EU- Richtlinie zurückging. Die Bundesregierung hatte deshalb schon im Vorfeld darauf hingewiesen, daß die Verfassungsbeschwerde unzulässig sei und die Frage dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt werden müsse. Die Karlsruher Richter aber befinden sich seit einigen Jahren im Clinch mit dem EU-Gericht, dem zu EU-freundliche Rechtsprechung vorgeworfen wird. Auf diesen Konflikt mag auch die deutsche Zigarettenindustrie mit ihrer Verfassungsbeschwerde spekuliert haben. Immerhin war die Einschränkung der Tabakwerbung Anfang der 90er Jahre aus konservativer Sicht ähnlich umstritten wie heute die EU- Bananenmarktordnung. Vor allem der Rechtsprofessor und Ex-Verteidigungsminister Rupert Scholz hatte sich für die angeblich gefährdeten Grundrechte der deutschen Tabakindustrie stark gemacht
Jetzt hat die Tabakindustrie also die Prüfung ihrer deutschen Grundrechte durch ein deutsches Gericht gehabt. Genützt hat es ihr nichts. Nur das Verfassungsgericht hat eine Amtsanmaßung mehr auf dem Kerbholz. Christian Rath
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen