Geschäft mit der Angst

■ Polizei klärt über Gewalt gegen Frauen auf – mit Handbuch, ohne Kurse

Nur eine Frau sitzt im Raum. Alle anderen Plätze sind frei. Alle. Er setzt sich genau auf den Stuhl vor ihr und versperrt ihr die Sicht. Auftakt der gestrigen Präsentation des Buches „Gewalt gegen Frauen und Mädchen“ im Polizeipräsidium.

Um Selbstverteidigung und Selbstbehauptung geht es in dem neuen Handbuch, das der „Arbeitskreis Gewaltprävention für Frauen und Mädchen“ herausgegeben hat. Gerade die Behauptung gegenüber Männern fordert der Alltag von Frauen immer wieder. Doch Gewalt wird häufig auf die rein körperliche Form reduziert, begangen vom „fremden Täter im Park oder Parkhaus“, bemängelt Gerda Krause, Psychologin in der „Opferhilfe Beratungsstelle“. Mit diesem Klischee will der Arbeitskreis aufräumen. Das falsche Bild vom „Fremdtäter im Gebüsch“ mache „Hamburg für Frauen nicht mehr lebenswert“, bedauert Meike Frie vom Landeskriminalamt.

Zusammen mit der Hamburger Polizei haben Frauenberatungsstellen sowie Selbstverteidigungstrainerinnen Fachmaterial zusammengestellt. In Form des Handbuches wird es an „Multiplikatoren“, an Weiterbildungseinrichtungen und Behörden verteilt. Dadurch soll Frauen der Zugang zu Selbstverteidigungskursen geöffnet werden. Eine in Hannover erstellte Studie belegt, daß Frauen zu 80 Prozent Erfolg haben, wenn sie sich gegen sexuelle Gewalt wehren. Doch mit der Angst der Frauen „vor dem auflauernden Täter“ werde ein Geschäft gemacht. Polizeisprecher Rainhard Fallak: „Jedes Fitneßstudio schmückt sich heutzutage mit Selbstverteidigungskursen.“

Wer sich mit der Bearbeitung des Themas kaum schmückt, ist die Hamburger Polizei. Zwar gibt es das Dezernat 213 für „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“. Das bietet rund um die Uhr eine Bereitschaft an. Doch das Dezernat ist nur zur Hälfte mit Frauen besetzt, und die Chance, nach einer Vergewaltigung zumindest eine Polizistin an der Strippe zu haben, besteht nur zufällig. Die Beamtinnen an den einzelnen Revieren sind nicht speziell geschult. In Kiel bietet die Polizei selbst Kurse für Frauen an. Die 80 Plätze für ein „Sicherheitstraining“ waren gestern innerhalb einer Stunde ausgebucht. Elke Spanner