: Mit der Tuba auf Geräuschsuche: Michael Vogt im Jazzkeller Treptow
Vorschlag
Mit der Tuba auf Geräuschsuche: Michael Vogt im Jazzkeller Treptow
Michael Vogt spielt die Tuba, das geschwungene Rohr, das den tiefen Tönen angehört, den tiefsten der Bläsergruppe. Ein Unterweltinstrument sozusagen oder eins, das in der Suche nach immer mehr beats per minute schon durch seine Kompaktheit an das Gegenteil erinnert. Ein Instrument, das den Spieler zum Lastenträger macht und sich nicht für Easy Listening eignet. „Manchmal werd' ich beim Üben traurig, weil die Töne so schwerfällig nur herauskommen“, seufzt dieser Solotubaist des Berliner Sinfonieorchesters. Was für ein Satz aus dem Mund eines Profis!
Sagen kann Vogt das, weil er neben seinem Brotjob im klassischen Betrieb, in dem eigentlich nur „ganz grade Töne gefordert sind, da darf nichts wackeln“, auf experimentelle Abwege geraten ist. Das Labyrinth, an das er sich schon seit Jahren herantastet, ist die Improvisation und die Elektronik. Er zwingt sein schwerfälliges Instrument dazu, auf diese Weise der Spontaneität und Geräuschhaftigkeit der Umwelt zu begegnen.
„Würgeengel mit Herzstücken“ und „Selbermagnetismus“ lauten die beiden Kompositionen, mit denen Michael Vogt derzeit gelegentlich in Kellern und Clubs auftritt. Inspiriert von Musikern wie dem britischen Schlagzeuger Chris Cutler und der amerikanischen Sängerin Shelly Hirsch, die akustische Bilder musikalisch umsetzt, führt Michael Vogt per eingespielter Geräuschkulisse durch alle möglichen Milieus, seien es Schafherden, Treppenhäuser oder Fußgängerinnen im Regen, die er mit quietschenden, verzerrten, gepreßten Tönen ergänzt. Mal schlägt er mit einem Kuchenteller auf das Blech seines Instruments, mal mit dem Hammer so lange auf den Holzboden, bis die Resonanz des Metalls zu hören ist.
Auch vor Trivialitäten macht der Musiker, der, seit er 12 ist, die Tuba und nur sie spielt, nicht halt: Dadadüda und hysterisches Geschrei ergänzen das akustische Szenario. Es entsteht ein Klangraum, der manchmal aufrüttelt und manchmal zu inneren Bildern verführt – zu Fragen wie der, was wohl hinter der sich langsam öffnenden Tür lauert. Natürlich klingelt dann das Telefon im unpassendsten Moment und trifft auf nichts als den Anrufbeantworter als Ersatz für das große, alle wieder wachmachende Finale. Denn nicht immer hält der Spannungsbogen. Trotzdem: Das Experiment, das Michael Vogt wagt, erweitert die Idee, was Musik zu sein hat. Er entwirft Alltag auf Tubaisch. Waltraud Schwab
Heute um 22 Uhr im Jazzkeller im Parkhaus Treptow, Puschkinallee 5, Treptow
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