: Mafiaboß von Mostar festgenommen
Die kroatische Polizei hat den Gangsterboß Mladen Nalatelic in Split verhaftet. Jahrelang kontrollierte er die kriminelle und nationalistische Szene der Kroaten in der Westherzegowina ■ Aus Mostar Erich Rathfelder
Er wollte gerade in die schwarze schwere Limousine steigen, als die Polizei zugriff. Was genau am letzten Montag um 19 Uhr in der kroatischen Hafenstadt Split geschah, ist noch nicht völlig aufgedeckt. Offiziell wurde der von Geheimnissen umwitterte Gangster und Zuarbeiter einiger Geheimdienste wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt festgenommen. Als die Verhaftung Tutas am Mittwoch in Mostar bekannt wurde, schlug die Information wie eine Bombe ein. Bisher galt Tuta als unantastbar. Er verfügte über Kontakte zu den höchsten Stellen, er hatte offenbar sogar direkten Zugang zum kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman. Es war ihm gelungen, allen Anschuldigungen zum Trotz unter dem Schutz der westherzegowinischen Behörden seinen Geschäften nachzugehen. Der knapp über 50 Jahre alte Tuta, der mit seiner langen grauen Mähne und dem Lenin-Bart mit einem Lehrer aus der 68er Generation verwechselt werden könnte, ist mit Drogen- und Waffenhandel, mit Schutzgelderpressung und der Einfuhr zollfreier Waren nach Bosnien, die wiederum nach Kroatien zurückgeschmuggelt wurden, reich geworden. In dem Ort Siroki Brijeg bei Mostar hat er sich eine riesige Villa bauen lassen. Von dem schwerbewachten Anwesen aus regierte er sein Imperium.
Und er mischte sich in die Politik ein. Zusammen mit dem jetzt ebenfalls verhafteten Gangsterboß Vinko Martinović, genannt Stela, und dem noch freien Café-Besitzer Mate Amićić, entschied er über Leben und Tod. Wer sich ihm entgegenstellte, überlebte nicht. Wer unter seinem Schutz stand, hatte eine wirtschaftliche Zukunft. Innerhalb der Elite der westherzegowinischen Kroaten, die den Krieg geführt hat, sind bis heute die Übergänge von Politik, Polizei und der kroatisch-bosnischen Armee HVO fließend. Und so war keiner der westherzegowinischen Politiker in der Lage, gegen die Gansterbosse vorzugehen.
Dies konnte nur einer. Der kroatische Präsident selbst. Unter dem starken Druck der internationalen Gemeinschaft, die vermutet, daß Tuta hinter dem Beschuß spanischer SFOR-Truppen mit Panzerabwehrraketen vom 21. Februar steckt, ließ er Tuta jetzt verhaften. Und war damit gezwungen, einen Eckstein seiner eigenen, auf die Teilung Bosniens gerichteten Politik wenigstens zeitweise zu beseitigen. Denn Tuta sorgte dafür, daß Mostar geteilt blieb und die kroatisch-bosniakische Föderation nicht funktionieren konnte.
Tuta war es sogar gelungen, mit der Mafia in Ost-Mostar zusammenzuarbeiten. Auch die hat ein Interesse an der Teilung der Stadt. Ein Mitglied der Unterwelt drückte es so aus: „In dem Moment, wo hier wieder Normalität geschaffen wird, ist die Mafia beider Seiten am Ende.“
Doch so weit ist es noch nicht. Denn Tuta verfügt nach wie vor über mächtige Freunde. Als ehemaliges Mitglied des jugoslawischen Geheimdienstes UDBA soll er nach Angaben militärischer Kreise aus Sarajevo nach wie vor über Kontakte zum serbischen Innenminister verfügen. Aus einem Dokument, das dem Verfasser vorliegt, geht hervor, daß Tuta, der schon einmal in den siebziger Jahren als Spitzel gearbeitet hatte, 1988 erneut mit dem jugoslawischen Geheimdienst Kontakt aufgenommen hat. Auffällig ist jedenfalls, daß die Kroaten Mostars seit 1992, seit der Ankunft Tutas in der Stadt, jeweils dann Spannungen erzeugten, wenn es der serbisch-nationalistischen Seite und damit der Teilung Bosniens diente.
Und damit nicht genug. Tuta, der bis 1992 in Frankfurt am Main gelebt hat und dort bis heute einen Teil der Unterwelt und des Geschäfts mit der Prostitution beherrschen soll, hat offenbar auch deutschen Geheimdiensten Gefälligkeiten erwiesen. Nach Informationen aus Kreisen der Internationalen Polizei in Mostar hat Tuta den deutschen Geheimdiensten über Aktivitäten von Terroristen berichtet. Ein solcher Kontakt könnte auch erklären, daß Tuta über lange Jahre in Frankfurt unbehelligt geblieben ist, obwohl es der deutschen Polizei nicht verborgen bleiben konnte, in welche Aktivitäten er verwickelt ist. Auch die deutschen EU-Polizisten, die in Mostar tätig waren, waren über Tuta informiert.
Die Verhaftung Tutas muß als das wichtigste Ereignis in Mostar seit der Ablösung Hans Koschnicks bezeichnet werden. Die internationale Gemeinschaft hat jetzt endlich den Druck ausgeübt, den der ehemalige Administrator immer gefordert und dafür fast mit dem Leben bezahlt hätte. Der frühere EU-Vertreter in Mostar, Sir Martin Garrod, sagte dazu: „Die internationale Gemeinschaft tritt im Falle Mostar geschlossen auf.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen