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Nazivokabular isoliert Landowsky

■ Abgeordnetenhausparteien distanzieren sich wegen „Ratten“-Vergleich vom CDU-Fraktionschef. Landowsky lehnt Entschuldigung ab. Bündnisgrüne: Kein normaler Umgang mehr möglich

Alle Abgeordnetenhausfraktionen außer der CDU haben sich gestern erneut vehement „gegen das Nazivokabular“ von CDU-Fraktionschef Klaus-Rüdiger Landowsky gewandt. Bündnisgrüne, PDS und sogar der Koalitionspartner SPD forderte von Landowsky, sich vor dem Parlament zu entschuldigen. Landowsky hatte in seiner Haushaltsrede Menschen als Gesindel, Ratten und Abschaum bezeichnet. In einer von Nachdenklichkeit und Wut geprägten Abschlußrunde der zweitägigen Haushaltsberatungen sagte SPD- Fraktionschef Klaus Böger, an sein CDU-Pendant gewandt: „Sie kommen nicht aus den Schützengräben des Kalten Krieges heraus.“ Der bündnisgrüne Fraktionschef Wolfgang Wieland sagte, Landowsky fordere „mit obszönem Vokabular das, was die Nazis die Säuberung des Volkskörpers nannten“. Die Anleihen des CDU-Politikers bei den Nationalsozialisten seien „zu deutlich und zu offenkundig“. Sollte Landowsky sich nicht entschuldigen, so Wieland, könne es mit ihm „keinen normalen parlamentarischen Umgang“ im Ältestenrat und anderen Gremien mehr geben.

Landowsky wollte die Entschuldigung gestern in einer Stellungnahme vor dem Abgeordnetenhaus verweigern; sie lag bis Redaktionschluß noch nicht vor. „Wenn ich noch mal sehr selbstkritisch die Rede lese“, hatte Landowsky bereits am Nachmittag dem SFB- Sender 88,8 gesagt, „sehe ich keine Veranlassung, mich zu entschuldigen.“ Weder der Wortlaut noch der Duktus der Rede gebe das her. Im übrigen sei sein Großvater „im Konzentrationslager geblieben; ihm komme daher gar nicht der Gedanke, Ratten mit Menschen zu vergleichen“. Der starke Mann der CDU zeigte sich enttäuscht, daß neben Grünen und PDS auch Teile der SPD eine Entschuldigung von ihm verlangten.

Nach langen internen Debatten verständigte sich indes die SPD- Fraktion auf eine scharfe Verurteilung von Landowskys Entgleisung. Klaus Böger vermißte bei Landowsky „die persönliche Größe“. Böger erinnerte seinen Koalitionspartner daran, daß es auch in der CDU Leute gebe, „die meinen, er habe weit über das Ziel hinausgeschossen“.

Böger meinte, die Frontstadtmentalität Landowskys sei nicht mehr zu gebrauchen. In einer Zeit der gewaltätiger Auseinandersetzungen seien „solche Sätze ex cathedra“ von einem führenden Politiker nicht mehr verantwortbar.

Die Äußerungen Landowskys lauteten: „Nach der Öffnung der Grenzen kamen nicht nur gute Leute nach Berlin. Es kam auch viel Abschaum, Kriminalität in die Stadt – von China über Rußland, Rumänien usw. Daß so etwas möglich ist, ist leider der Preis einer freien Gesellschaft.“

Die zweite Passage hieß: „Ich bin auch dankbar, daß der Senat jetzt intensiv gegen die Verslumung Berlins vorgeht, gegen Sprayer, gegen Müll und Verwahrlosung auch der städtischen Brunnen. Es ist nun einmal so, daß dort, wo Müll ist, Ratten sind, und daß dort, wo Verwahrlosung herrscht, Gesindel ist. Das muß in der Stadt beseitigt werden!“ Christian Füller

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