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Wider dem Wahrscheinlichkeitsprinzip

■ Auch wenn die BVG nach Einführung der neuen Tarife nicht mehr als sonst kontrolliert, ist Vorsicht angesagt: Kontrolleure in Zivil sind immer und überall

Die Tarnung war perfekt: Wer kommt schon auf die Idee, daß sich ein unauffällig gekleideter Mann mit einem Bauchmuskeltrainer unterm Arm als Kontrolleur entpuppen könnte. Die Fahrgäste, die am Dienstag abend im 129er Bus Richtung Hermannplatz fuhren und in der Kochstraße zustiegen, konnten erst recht nichts ahnen, denn die Worte „Die Fahrscheine bitte“ waren längst verhallt, als sie zustiegen waren. Doch als sie gewahr wurden, wie nur wenige Meter von ihnen entfernt der Bauchmuskelfan einen Bußgeldbescheid ausstellte, erhoben sich einige von ihnen betont langsam und schlenderten Richtung Ausgang. Je näher sie der Treppe kamen, um so größer wurde das Gedrängel. Sie alle hatten keinen Fahrschein und das Glück, den Bus klammheimlich verlassen zu können.

Einige zogen es vor, nach Hause zu laufen, andere warteten an der Haltestelle auf den nächsten Bus, wieder andere gingen zur Station Kochstraße zurück. So auch Britta K. Während des kurzen Spaziergangs dachte sie darüber nach, ob sie ein Ticket kaufen sollte oder nicht. Das Wahrscheinlichkeitsprinzip sprach dagegen. Ihr Schreck in den Gliedern dafür. „Einmal Kurzstrecke“, sagte sie, als sie den nächsten 129er bestieg. An der Haltestelle, an der sie wenige Minuten zuvor ausgestiegen war, fiel ihr fast das Ticket aus der Hand. Vor ihr stand der Mann mit dem Bauchmuskeltrainer.

Wer glaubt, daß die Verkehrsbetriebe wegen der neuen Tarife verstärkt kontrollieren, der irrt. Nach Angaben der BVG-Pressestelle ertönt der Ruf „Die Fahrscheine bitte“ nicht mehr als sonst. Wie viele der sogenannten SIKs (Schaffner im Kontrolldienst) es sind, will BVG-Sprecher Klaus Wazlak aber nicht verraten. „Es sind ausreichend“, versichert er. Einen Anstieg der Schwarzfahrten habe man bisher nicht festgestellt. Das einzige, was sich neben den Preisen geändert hat, ist das Kontrollpersonal. Waren es früher noch viele Kollegen vom Wachschutz, sind es jetzt fast nur noch zivile BVGler. Und denen kann man schwer einen falschen für einen echten Fahrschein vormachen. Die in der Bundesdruckerei hergestellten Scheine seien, so Wazlak, absolut fälschungssicher. Der Trick mit dem Lösungsmittel, mit dem man Stempel angeblich verschwinden lassen kann, sei „die dümmste Fälschung“. Auch Farbkopierer würden nicht den gewünschten Erfolg bringen. Die echten Scheine hätten „verdeckte Merkmale“, die per Infrarotlicht, das jeder Kontrolleur bei sich trägt, problemlos zu erkennen seien. Im letzten Jahr registrierte die BVG 204 Strafanzeigen wegen Urkundenfälschung. Tendenz steigend. Barbara Bollwahn

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