: Mordsspaß für Stevens
Trotz 2:0-Vorsprungs reist der FC Schalke mit Respekt zum Uefa-Cup-Rückspiel nach Valencia ■ Von Katrin Weber-Klüver
Gelsenkirchen (taz) – Diesesmal waren die Schalker besonders schlau gewesen. Weil ein volles Stadion schöner ist und mehr Geld bringt, hatten sie für ihr „Spiel des Jahres“, das Uefa-Cup-Viertelfinal-Hinspiel gegen Valencia, in Stehkurven Sitzplätze erfunden: Die Ränge, die wegen der Stehplatzbeschränkung der Uefa sonst leer hätten bleiben müssen, zierten blau-weiße Sitzkissen. Natürlich benutzte sie niemand. Die Idee war geklaut von Roda Kerkrade, dem ersten Gegner der Gelsenkirchener im laufenden Uefa-Cup. Von den Holländern übernehmen die Schalker auch gern Spieler, und Trainer Huub Stevens lösten sie kurz nach dem Gastspiel in Kerkrade für eine Ablöse von mehr als einer Million Mark aus.
Stevens' hervorstechendste Eigenschaft ist es, seine Arbeit wohl ernst, aber nicht schwer zu nehmen. Der Trainer, sagt Stürmer Youri Mulder, „fordert totale Disziplin, aber er gibt Heiterkeit zurück“. Am Dienstag hatte Stevens selbst einen Mordsspaß. Schon an der Kulisse. „Großes Kompliment, super, überragend.“
Wegen der üblichen Reiseunfreudigkeit spanischer Fußballanhänger war das Stadion ein einziges blau-weißes Meer, eine nachgerade sozialistische Einheitskulisse. Die stärkte im entscheidenden Moment die Moral von Stevens' „Kollektiv“ auf dem Rasen. Weil „die Fans mich gerufen haben“, erklärte später Olaf Thon, habe er trotz Stirnwunde weitergespielt. Die heroische Tat zahlte sich aus. Thon war der beste Spieler.
Zweitens hatte Stevens Freude am Ergebnis. Nachdem die technisch und spielerisch überlegenen Spanier in der zweiten Minute mit einer Doppelchance durch Leandro erst an Latte und dann an Thomas Linke gescheitert waren, hatte Schalke das Schlimmste hinter sich. Drittens und am meisten beglückte den Trainer die Entstehung der beiden Schalker Tore. Es waren Früchte der letzten Trainingseinheiten. Sehr vorausschauend hatte Stevens Standardsituationen und Strategien zur Überwindung der valencianischen Viererkette studieren lassen.
Zum 1:0 führte kurz vor der Pause deshalb ein Freistoß des just hereingeschrienen Thon, den Linke mit gewaltigem Kopfball aus 15 Meter verwandelte. Vor Wilmots' 2:0 überspielte Jiri Nemec die Kette. Freudestrahlendes Fazit des Trainers: „Zweite Halbzeit – hervorragende Angriffe – Viererkette geknackt – Superfußball.“
Die Torschützen, beide fürs Rückspiel gesperrt, sahen das anders. Wilmots war „nicht zufrieden“, Linke konstatierte „keine Glanzleistung“. Auf ausgelassenes Feiern verzichteten die Schalker gleich ganz. Weil sie verantwortungsvolle Profis sind, wurden sie gleich nach dem Duschen von Gedanken ans Rückspiel übermannt. Allgemeine Befürchtung: „Das wird schwer.“
Weniger Schrecken als Begeisterung entlockte Valencias Spielstärke Schalkes Manager Rudi Assauer. „Die ersten 20 Minuten waren eine hervorragende Demonstration europäischen Fußballs.“ Doch Valencias anspruchsvolles System, geprägt durch schnelle Kombinationen und hingebungsvolles Überzahlspiel in Ballnähe, krankte. Und zwar, wie Trainer Jorge Valdano erkannte, an einer „Ansammlung kleiner Fehler und Unstimmigkeiten“. Zumal Leandro nach dem frühen Fehlschlag in der Spitze vereinsamte und an Begeisterung verlor, lief Valencias Spiel bald ins Leere.
Spätestens als sich die Spanier in der zweiten Halbzeit auf das ihnen von Schalke aufgedrängte Kampfspiel einließen, war es um sie geschehen. Sie erspielten sich keine Chance mehr. Doch Valdano war durch den Einsatz milde gestimmt. Behauptete er jedenfalls: „Wenn man kämpfend verliert, tut es weniger weh.“ Und so sieht er für das Rückspiel in zwei Wochen alle Chancen gewahrt. Oder beteuerte es nur, weil ihm angesichts der schlechten Lage Valencias in der Liga womöglich nur das Erreichen des Uefa-Cup-Halbfinales den Job retten wird. Schalkes Respekt vor dem Auftritt im Stadion Luis Casanova sieht Jorge Valdano gern und fördert ihn mit souveräner Prognose: „Wenn's drauf ankommt“, sagte er, „haben wir immer Tore gemacht.“
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