: Gerüchte, Gerüchte, Gerüchte
Claus Peymann will seinen Vertrag mit dem Wiener Burgtheater nicht über das Jahr 1999 hinaus verlängern. Er befürchtet, daß eine „neue „Schmuddelkampagne“ gegen das Haus geführt wird. Doch wohin wird er gehen? ■ Von Klaus Nothnagel
„Eine Lichtgestalt, die alle Probleme löst, ist nicht einfach zu finden“, soll Stephan Suschke, Interims-Intendant am Berliner Ensemble, zur Frage der künftigen BE-Intendanz geäußert haben.
Lassen wir mal außer acht, daß es in der gesamten Menschheitsgeschichte geradezu unmöglich war, Lichtgestalten zu finden, die alle Probleme lösen (außer Heiner Müller selbstverständlich!) – für die künftige Leitung des ehemaligen Brecht-Theaters braucht man doch gar keine Lichtgestalt mehr! Claus Peymann wird's.
Seinen Vertrag als Burgtheater- Intendant will er, wie er am Dienstag auf einer Pressekonferenz verkündete, nicht über 1999 hinaus verlängern. Nachdem es ihm gelungen ist, aus dem ranzigen Wiener Nationaltheaterkasten wieder ein Theater zu machen, das über die Grenzen des deutschen Sprachraums hinaus beachtet und diskutiert wird, kann er gar nichts anderes mehr machen, als das BE übernehmen. Warum? Weil Peymann komplett wahnsinnig ist.
Schon als er 1986 im Alter von 49 Jahren das Burgtheater übernommen hat, war sein Antrieb hauptsächlich die unglaubliche Größe der Aufgabe. Der Mann will sich immer wieder an Jobs ausprobieren, die nach menschlichem Ermessen nicht zu schaffen sind.
Aus dem schwäbischen Pißkaff Stuttgart hat er in den 70er Jahren für einige Zeit die Theatermetropole der Republik gemacht. In Bochum trat er einige Jahre später das wahrlich nicht leichte Erbe des Intendanten Peter Zadek an. Und die Burg war, wie wir heute wissen, nur der vorletzte Kick für Peymann. Denn was soll er nach der Burgtheater-Intendanz überhaupt noch Unmögliches versuchen?
Es gibt nur noch einen Job für ihn: das komplett zerrüttete, durch Zadek, Marquardt, Müller und die nachfolgenden Epigonen ruinierte Berliner Ensemble übernehmen! Wer kriegt schon heute als 61jähriger Arbeitsloser (denn so alt wird Peymann bei Auslaufen seines Burgtheater-Jobs 1999 sein!) noch einen derart verantwortungsvollen und schweren Job angeboten? Nur Peymann. Weil er zwar künstlerisch auch seine legendären Flops hatte, als Theatermanager aber turmhoch über den jetzigen BE- Zwischenverwaltern und selbstverständlich auch über den Vorgängern steht: also über Heiner Müller, Peter Zadek und den anderen Nasen der verflossenen Leitungs-„Fünferbande“, die ja den Ruin des Berliner Ensemles eingeleitet hat. Jeder weiß, daß Peymann der neue BE-Chef werden muß.
Der Berliner Kultursenator Peter Radunski hat gar keine Chance, einen anderen zu nehmen. Das Gestrüpp aus ästhetischer Konfusion, staubigen alten Ost-Seilschaften, Suff, Heiner-Müller-Verwaistsein, allgemeiner Überschattung durch Hausgott Brecht – wer soll denn das noch lösen, außer Peymann?
Er wird's machen. Und die Finten, die er in seinen jüngsten Interviews losgelassen hat („Ich will nach Hamburg“) – die passen bestens dazu. Daß der Intendant des Hamburger Thalia-Theaters, Jürgen Flimm, ungefragt seinen dringenden Wunsch äußerte, Peymann möge sich von Hamburg fernhalten – „Hamburg hat im Moment die beiden besten deutschen Sprechtheater, und das soll unter der bewährten Leitung auch so bleiben“ – und als „Mann mit Pioniergeist“ lieber der desolaten Berliner Theaterszene zu Hilfe eilen – ich hätt's auch nicht schöner ausdrücken können.
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