Schellack und Kreppschuhe

■ Der ehemalige Swing-Jugendliche Günter Discher stellt die damalige Musik auf NDR und CD vor

Am Anfang war das Grammophon. Und das war erstmal ein technisches Faszinosum, konnten die schwarzen Scheiben und die drüberschlitternden Nadeln doch irgendwie Töne erzeugen, um sie dann aus den metallenen Schalltrichtern hinaus zu befördern.

Ende der Zwanziger Jahre konnte das transportable, für 20 Reichsmark erstehbare Instrument Massenmedium werden. Zu einer politischen Größe wurde es in den Jahren der nationalsozialistischen Gleichschaltung, als es die jetzt verbotenen Töne und Rhythmen aus dem Ausland in die Wohnzimmer, versteckten Kneipen und kleinen Tanzbars hereintrug. So wurde es zum Medium einer oppositionellen Jugend, die in Hamburg, Berlin und in der Welt unter dem Namen „Swing-Jugend“bekannt geworden ist.

Diese Zeit der Schellackplatten-Parties in konspirativer Umgebung will Günter Discher, ehemaliges Swing-Kid, heute mit seiner Aufklärungs- und Jugendarbeit in ihren politischen Zusammenhängen wiederbeleben. Seit Dezember letzten Jahres stellt er in der Sendung Das gab's nur einmal... monatlich auf der NDR Hamburg Welle die Musik der 20er, 30er und 40er Jahre mit dem Schwerpunkt auf der „Swing-Jugend“-Zeit vor.

Sendungsbegleitend soll nun auch eine Günter-Discher-CD-Edition auf den Markt kommen, auf der sich neben typischen Swing-Hits Musik von Lale Andersen, Filmhits dieser Jahre oder Lieder von Hans Albers und Heinz Rühmann befinden. Hier gehen die originalen Schellackplatten ihren Weg in die 90er Jahre, werden digital restauriert und dann auf die kleinen silbernen Scheiben gebrannt. Am Ende jeder CD gibt es noch ein Interview mit Discher, in dem er von seinen Erlebnissen und auch von der Bedeutung ,seiner' Musik in jenen Jahren spricht.

Der Swing der amerikanischen Big Bands faszinierte die damaligen Jugendlichen durch seine Exotik. Da waren die blechernen Bläserbeats, die ein neues, symbolisch freies und weltoffenes Lebensgefühl ins uniformierte Deutschland transportierten. Mit langen Haaren, Jacketts, Kreppschuhen und schwarzen Regenschirmen, die man sich dandyhaft über den Arm hängte, wurde Swing zur sichtbaren Opposition und damit zum politischen Bekenntnis.

Für die Nationalsozialisten war Swing „Niggerjazz“und „Feindmusik“, die provozierend snobistischen Jugendlichen „Zersetzer des deutschen Volksempfindens“. Nach dem Rundfunkverbot 1935 wurden ab 1939 Verkauf und Handel und „alle Entartungen musikalischer Darbietungen durch körperverrenkende Untermalung, dekadenten Refraingesang und ähnliche Effekthascherei“verboten.

Für den Swing aber ging es in der Subkultur weiter. Hier wurde Günter Discher zu einer zentralen Figur. Erst zehnjährig fing er 1935 an, Swingplatten zu sammeln, dann bestach er den Schneider mit Lebensmittelmarken und Zigaretten, um einen englischen Maßanzug zu bekommen. Ab 1939 belieferte er im Schwarzhandel die „Szene“mit den begehrten Platten. Eine Opposition, die die Nazis 1942 mit der Deportation ins Jugendkonzentrationslager Moringen ahndeten, in dem er bis zum Kriegsende blieb. 400 andere Hamburger Swing- Kids wurden im Konzentrationslager Fuhlsbüttel interniert. Nach dem 2. Weltkrieg geriet der Swing in Vergessenheit.

Vor dem Hintergrund dieser ganzen Swing-Geschichte ist es nicht ganz verständlich, warum Dischers CD-Edition nun ausgerechnet mit Hans Albers und Heinz Rühmann beginnt. Nicht zuletzt deswegen, weil die beiden deutschen Volksschauspieler eine etwas andere Vergangenheit mit dem nationalsozialistischen Deutschland verbindet.

Eva Rink

Hans Albers & Heinz Rühmann: Jawohl, meine Herr'n; Edition Günther Discher, Ceraton Music, ab Freitag im Handel Nächste Sendung auf der NDR Hamburg Welle: Heinz Wehner und Barnabas von Céczy; UKW 90.3, Mo, 14. April, 20.05 und 22 Uhr

Der Offene Kanal Hamburg hat für Sonntag, den 16. März einen Thementag namens Swinging Hamburg geplant. Von 8 bis 18 Uhr werden auf der UKW-Frequenz 96,0 Wort- und Musikbeiträge sowie Interviews mit Künstlern und Betreibern von Hamburger Jazz-Clubs gesendet. Thema ist die Jazz-Szene der Stadt von den Dreißiger Jahren bis heute. Swing-Freunde sollten um 14 Uhr einschalten, wenn die 1911 geborene Hamburger Swing-Lady Carola Marwitz-Schramm von den Tanzlokalen der Vorkriegszeit erzählt. ck