Verlorene Industrie-Jobs ohne Ersatz

■ Studie der Angestelltenkammer: Dienstleistungssektor fängt Arbeitsplatzabbau nicht auf, Bremen verliert überregional an Boden

Der Weg Bremens in die Dienstleistungsgesellschaft ist von Arbeitslosigkeit, Scheinselbständigkeit und unsicherer Teilzeitarbeit gekennzeichnet. Der Dienstleistungssektor fängt die wegbrechenden Industrie-Jobs nicht auf. Das ist der Tenor einer Studie der Angestelltenkammer. Seit 1974 verlor Bremen 30.000 Industrie-Jobs, 11.000 Service-Arbeitsplätze entstanden neu. „Vollzeitarbeitsplätze werden durch Teilzeitjobs ersetzt“, resümmierte Kammer-Geschäftsführer Eberhard Fehrmann. In diesen seien neun von zehn Beschäftigten Frauen.

Zwei Drittel der Beschäftigten arbeiteten 1995 im Dienstleistungssektor, 1974 waren es erst 56 Prozent. Allerdings hat Kammer-Gutachter Jörg Murscheid einige beunruhigende Trends für den Wirtschaftsstandort Bremen aufgelistet, dessen überregionale Bedeutung stetig sinke: So sei im Großhandel seit 1980 jeder fünfte Arbeitsplatz verlorengegangen, im Einzelhandel jeder siebente Arbeitsplatz. Auch in anderen Dienstleistungen wie im maritimen Bereich ist die Beschäftigung rückläufig oder stagniert, so etwa bei Banken und Versicherungen. Hier stellte Murscheid eine Entwicklung fest, die auch ortsansässige Banker bestätigen: Personalintensive Beratungs- und Entscheidungskompetenzen würden verlagert.

Stattdessen boomen in Bremen ortsgebundene Dienstleistungen und solche, die staatlich finanziert würden wie das Gesundheitswesen oder Ausbildungswerkstätten, sagte Murscheid: „Das Wachstum des Dienstleistungssektors ist Spiegelbild der Arbeitsmarktprobleme.“

Dienstleistungsjobs gehen in der City verloren und entstehen neu in Hemelingen oder im südöstlichen Umland (Weyhe, Stuhr, Achim, Oyten, Ottersberg). In Städten wie Nürnberg oder Dortmund, die eine noch drastischere De-Industrialisierung durchgemacht haben als Bremen, habe sich der Dienstleistungsbereich deutlich stärker entwickelt. So stehe etwa im touristisch nicht gerade besonders attraktiven Dortmund das Gastgewerbe deutlich besser da als in Bremen. Mögliche Erklärung: In Bremen habe man zu lange gebraucht, sich von den alten Industrien und den entsprechenden politischen Bindungen zu lösen, so Fehrmann.

Die Gutachter warnen aber auch vor überzogenen Erwartungen an Projekte wie Space Park, Ocean Park und Musical. Insgesamt konstatiert die Angestelltenkammer ein „bedrohliches Zukunftsszenario“. „Da muß man tatsächlich mal untersuchen, was das Erhaltenswerte am Stadtstaat ist“, kommentierte Kammer-Präsidentin Irmtrud Gläser. Handlungsempfehlungen an den Senat will die Kammer in einem zweiten Schritt des Projekts im Sommer präsentieren. jof