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Schilderfeind, Medienfreund

■ Umweltsenator Vahrenholt und die Ozon-Verordnung: Beim Tempo-Limit gibt es keine Warnschilder, dafür aber Bußgelder Von Kerstin Meier

Umweltsenator Fritz Vahrenholt will im Namen der Ozonverordnung das Recht neu erfinden: AutofahrerInnen, die kein Radio hören und keine Zeitung lesen, sollen mit Bußgeldern bestraft werden. Denn: Auf das Tempolimit, das ab 180 Mikrogramm Ozonkonzentration pro Kubikmeter in Kraft tritt, soll nicht mit Verkehrsschildern aufmerksam gemacht werden.

Bei der Vorstellung der neuen Hamburger Ozonverordnung, die ab 10. Juli gilt, outete sich Vahrenholt als Schilderfeind und Medienfreund: „Das Aufstellen von Schildern für Tempolimits ist derzeit unmöglich und nicht geplant.“ Statt dessen wälzte der Behörden-Chef die Informationsverantwortung auf Hamburgs Presse, Funk und Fernsehen ab: Die BürgerInnen sollen sich, bitte sehr, informieren.

Der neue Umweltbehörden-Vorstoß ist schon das zweite Ozon-Überraschungsei in diesem Jahr: Zuerst sollte es ein Verbot ohne Strafe geben, jetzt eine Strafe ohne Schilder, die auf das Vergehen erst aufmerksam machen.

Grundlage der hanseatischen Ozonregelung ist die gemeinsame Sommersmogverordnung der norddeutschen Bundesländer. Neben Niedersachsen, Bremen und Schleswig-Holstein setzt dann auch Hamburg auf eine Ozonverringerung durch Tempolimits. Wird der Grenzwert von 180 Mikrogramm an drei Meßstellen überschritten, soll ab fünf Uhr des Folgetages auf Autobahnen ein Tempolimit von 90 Stundenkilometern für PKW und Motorräder gelten und von 60 Stundenkilometer für LKW. Auf allen anderen Straßen gilt Tempo 60 oder weniger.

„Umweltsünder“, die sich nicht ans Tempolimit halten, sollen künftig tief in die Tasche greifen. Dabei beruft sich der Senat auf die Straßenverkehrsordnung, die bei Tempo-Überschreitungen einen Regelsatz von 80 Mark vorsieht.

Juristisch problematisch ist der Vahrenholt-Plan mindestens aus drei Gründen: Darf Unwissenheit bestraft werden? Hamburgs Gerichtssprecherin Monika Rolf-Schoderer hält das für „schwierig“. Es müsse dann wohl im Einzelfall geprüft werden, „ob der Betreffende von dem Tempo-Limit Kenntnis gehabt haben muß oder nicht.“ Zweitens: Bundesrecht geht vor Landesrecht. Können die norddeutschen Länder die Bußgelder überhaupt durchsetzen? Und schließlich: Wieviele Hundertschaften Polizei will Vahrenholt bei Innensenator Wrocklage anfordern, um Knöllchen zu verteilen? Bei der Hamburger Polizei bezweifelt man jedenfalls, „ob das umzusetzen ist“.

Nicht so der optimistische Schilderfeind Fritz Vahrenholt. Der setzt auf den mündigen Bürger: „Von einer Befolgung des Tempolimits gehe ich selbstverständlich aus.“ Schließlich würden die Forderungen nach „Maßnahmen gegen erhöhte Ozonkonzentrationen von einem breiten Teil der Bevölkerung getragen“.

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