■ Energiekonsens: Die SPD scheint kompromißbereit
: Ausstieg aus dem Ausstieg?

Nächste Woche wollen CDU und SPD ihre Gespräche über den Energiekonsens wiederaufnehmen. Doch worum geht es da eigentlich noch? Ursprünglich galt es, den Kompromiß Kohlesubvention für einen Fortbestand der Atomenergie zu schließen. Lange Zeit sah es so aus, als säße da die SPD am kürzeren Hebel. Doch die CDU hatte die Sprengkraft der Kohlefrage unterschätzt. Im öffentlichen Bewußtsein ging es um mehr als nur um die Stützung einer veralteten Industrie. Die Kumpel im Bonn standen plötzlich stellvertretend für alle Arbeitslosen und Opfer der Sparpolitik. So hat die SPD die für sie in NRW so wichtigen Kohlesubventionen durch den Protest der Kumpel bekommen. Was kann die CDU nun noch bieten?

Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) fordert eine gleichmäßigere Verteilung abgebrannter Brennstäbe in Zwischenlagern auch im Süden. Das ist nicht viel, vergleicht man das mit den Forderungen von CDU-Umweltministerin Merkel. Sie will nicht nur eine klare Regelung der Entsorgungsfrage, eine Vergrößerung der Kapazität im Zwischenlager Ahaus in NRW, einen Weiterbetrieb des zu DDR-Zeiten genehmigten Lagers in Morsleben und eine baldige Entscheidung über ein Endlager in Gorleben. Merkel will von der SPD auch eine Bestandsgarantie für alle Atomkraftwerke. Letzteres ist in der SPD kaum durchzusetzen.

Um so überraschender, daß die SPD ihren Sieg bei der Kohlesubvention nicht auskostet, sondern brav gleich Gespräche über den Energiekonsens schon für nächste Woche anbietet. Sicher, die SPD ist nun in einer guten Verhandlungsposition. Doch sie hat nicht viel zu gewinnen, dafür aber einiges zu verlieren: Kommt es zu einer Einigung, zu einem Entsorgungskonsens, ist das ein klares Signal an die Grünen. Selbst wenn die SPD keine Garantie für die AKW gibt – mit einer Regelung der Entsorgung gäbe sie den entscheidenden Hebel zum Ausstieg aus der Atomkraft aus der Hand. Für die Grünen würde damit eine Koalition mit der SPD 1998 in Bonn unmöglich.

Ursprünglich ging es beim Energiekonsens um die Energieversorgung der Zukunft, dann nur noch um Kohle und Kernenergie – nun sind es reine Entsorgungsgespräche geworden, mit denen sich die SPD unnötig auf eine Große Koaltion festlegen würde. Oder ist das die Absicht von Schröder und Müntefering? Matthias Urbach