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Anschlag auf eine Moschee in Paris

■ Wärter verletzt, noch keine Spur von den Tätern

Paris (taz) – Der Knall war drei Metrostationen weit hörbar, sagen die Nachbarn. Jedenfalls platzten rund um die Moschee Adda'wa im Pariser Nordosten alle Fensterscheiben, als gestern morgen um 4.30 Uhr ein Sprengkörper explodierte, der einen Wärter verletzte und einen Teil des Gebäudes zerstörte.

„Ich dachte sofort, das ist die Moschee“, sagt die Concierge, die vor dem zehnstöckigen Wohnblock gegenüber Glasscherben zusammenkehrt. Der Sprengstoff, schwarzes Pulver in einem Feuerlöscher, war an dem Tor des zweistöckigen Gebäudes der Moschee an der Rue Tanger im 19. Arrondissement deponiert worden. Die Explosion erfolgte eine halbe Stunde vor dem ersten Gebet des Tages, und die Täter hinterließen kein Bekennerschreiben.

Die mitten in einem Immigrantenstadtteil mit starken afrikanischen Bevölkerungsgruppen gelegene Adda'wa (Der Ruf) ist eine der beiden größten Moscheen von Paris. 3.000 Menschen nehmen an den Freitagsgebeten teil. An Festtagen, wie dem Aid am Ende des Fastenmonats Ramadan, kommen bis zu 6.000 Menschen, die dem Gebet auf der Straße und im Vorgarten des Wohnblocks folgen.

Das Gebäude der Adda'wa, eine einstige Textilfabrik, die seit 1979 als Moschee, Koranschule, Armenspeisung und Konferenzzentrum dient, platzt aus allen Nähten. Schon seit 1993 versucht ihr Rektor Larbi Kéchat eine Genehmigung für Neubau und Vergrößerung seiner Moschee zu bekommen. Drei Anträge waren nötig, bis die Präfektur zustimmte. Auf das letztliche Plazet aus dem Pariser Rathaus wartet er immer noch.

Zwischenzeitlich nutzte die rechtsextreme Front National die Gelegenheit, um gegen den Moscheebau zu protestieren. Zweimal zogen im vergangenen Jahr mehrere hundert Rechtsextremisten mit der Tricolore durch das 19. Arrondissement, um „Wohnungen statt Moscheen“ zu fordern.

Der Bürgermeister des 19. Arrondissements, der Sozialist Roger Madec, gibt „Teilen der Rechten und der Front National“ die Schuld für die „unverantwortliche Verzögerung der Baugenehmigung“. Es sei „besser, eine große Moschee als geheime Gebetssäle in Garagen“ zu haben.

Der Rektor der Moschee Adda'wa vertritt einen aufgeschlossenen, weltlichen Islam. Seine Konferenzen am Samstagnachmittag sind allen Interessierten – auch Nichtmuslimen – zugänglich und gut besuchte Veranstaltungen. Zu ihren Themen gehören der Dialog zwischen den Religionen und die Aids-Epidemie. In der islamischen Gemeinschaft ist sein Religionsbegriff umstritten. Ein Gläubiger erzählt von einem Flugblatt, das er am vergangenen Freitag vor der Moschee bekam und in dem der Rektor als „zu moderat“ kritisiert und eine härtere politische Linie verlangt wurde.

Der 45jährige in Algerien geborene Larbi Kéchat sitzt in braunem Jackett und Anzughose auf einem Plastikstuhl in dem grün ausgelegten, nunmehr fensterlosen Konferenzsaal im ersten Stock seiner Moschee inmitten eines Scherbenhaufens. Er will nicht über die Verantwortlichen des Attentats spekulieren. Die Bedeutung der rechtsextremen Demonstrationen gegen den Moscheeausbau spielt er herunter.

„Die Demonstrationen der Befürworter waren stärker“, sagt er. Von einem „Zusammenhang“ mit dem algerischen Konflikt zu sprechen hält er für „zu simpel“. Er will aber nicht ausschließen, daß das Attentat im Zusammenhang mit dem offenen Islam seiner Moschee steht.

Wenige hundert Meter entfernt wurde vor zwei Jahren, im Juli 1995, der Imam Sahraoui in der Nachbarmoschee in der Rue Myrrha erschossen. Wie der Rektor der Adda'wa-Moschee war Sahraoui aufgeklärter Geistlicher, der für den Dialog der Religionen eintrat. Es war das erste Attentat einer langen Serie – in den Monaten danach folgten die Bomben in der Pariser Metro. Dorothea Hahn

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