Altersgebeugte Lehrer legen sich krumm

■ Streik-Auftakt an fünf Schulen gegen Mehrarbeit / Behörde droht mit Disziplinarrecht

„Ich hef mal –ne Bremer Schule sehn, to my hoola, die Lehrer so krumm wie Rudi Völler sin Been“: Eine Shanty-singende Rentner-Combo lief gestern an Krücken und mit angeklebten Bärten über Schulhöfe und vor Behördentüren auf. Eigentlich hätten die „Senioren“in der Schule am Leibnitzplatz ihre Schützlinge lehren sollen. Aber gestern gab es den ersten Warnstreik gegen die Erhöhung der Lehrerarbeitszeit um zwei Pflichtstunden. Der Unterricht fiel zum Teil aus.

Nach Angaben der Gewerkschaft GEW beteiligten sich 200 Lehrkräfte an fünf Schulen an den Protestaktionen, die bis zu den

Osterferien an wechselnden Schulen fortgesetzt werden sollen.

„Der größte Skandal ist, daß alle jungen Referendare weggeschickt werden“, beklagte ein Streikposten die fehlenden Einstellungen von jungen LehrerInnen. Sein Zorn könnte den Mann Geld kosten und disziplinarrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Bildungssenatorin Bringfriede Kahrs (SPD) hat die Schulleiter in einer Rundverfügung aufgefordert, streikende LehrerInnen zu benennen und Gehaltsabzüge angedroht. Was passiert, wenn ein Schulleiter die Kollegen nicht verpfeift? „Dann ist die Sache etwas komplizierter“, hieß es aus der Behörde. Die SchulleiterInnen seien aber der Dienstherrin rechenschaftspflichtig. Die Proteste seien kein Streik, denn es habe keine Urabstimmung gegeben.

An der Gesamtschule Mitte (GSM) in der Hemelinger Straße hatte sich das 43köpfige Kollegium geschlossen für Protest ausgesprochen. Nach einer Versammlung um 8 Uhr morgens hat man den 350 SchülerInnen ein erklärendes Flugblatt für die Eltern in die Hand gedrückt und sie nach Hause geschickt. Nur die Jüngsten aus den Jahrgängen 5 und 6 seien bei Bedarf betreut worden.

Die Kids nahmen es gelassen: „Es ist O.K., daß die streiken“, sagt der 15jährige Till Hokema. Dumm sei nur, daß er heute ganz sorgfältig alle Hausarbeiten gemacht habe. Die GSM-LehrerInnen sind sauer, weil sie schon seit Jahren „Innovation for nothing“machten, sagt Andreas Kraatz-Röper, mit 36 Benjamin unter den LehrerInnen (Durchschnittsalter 47,6 Jahre). Durch die Stundenerhöhung würden sie jetzt bestraft. So gebe es an der GSM schon einiges, was die Bildungsbehörde in ihrem neuen Arbeitszeitmodell durchsetzen wollte: Ein fester Konferenztag fürs Kollegium, zweimal wöchentlich Mittagessen, feste Betreunungszeiten am Nachmittag, durch fächerübergreifende Projektarbeit werde die 45-Minuten-Stunde zurückgedrängt.

Was die Stundenerhöhung für die Schule bedeutet, erklärte Kalle Koke aus der Schulleitung: „Das wären in der Stundenzuweisung 80 Stunden mehr. Also könnten hier zwei bis drei KollegInnen abgezogen werden. Wir brauchen aber die Personen, um bestimmte Aufgaben zu leisten“. So ließen sich für die neuen 5. Klassen kaum noch KlassenlehrerInnen finden. In einigen Fächern wie in Chemie, Spanisch und Mathe gebe es schon jetzt Lehrer-Mangel. „Ich unterrichte hier Mathematik, obwohl ich das nie studiert habe“, sagt Ulla Tietjen. Auf die Stimmung drückt außerdem der miserable Zustand des Altbaus. Seit einem Jahr verhindert nur ein Gitterzaun, daß der Putz den Menschen auf den Kopf fällt.

Behörde und Politik zeigten sich von den Streiks unbeeindruckt. „Die betonieren sich jetzt ein“, sagte GEW-Sprecher Heiko Gosch. Nach den Osterferien soll es einen zentralen Streik an allen Brem Schulen geben. jof