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Der wahre Adel an Rhein und Ruhr

■ Mit Thyssen und Krupp-Hoesch fusionieren zwei der ältesten deutschen Firmen

Krupp und Thyssen – diese beiden Namen symbolisieren weithin deutsche Industriegeschichte und deutschen Militarismus. Beide Firmen gehören zu den ältesten und einst auch zu den einflußreichsten des Deutschen Reiches und der Bundesrepublik. Schon 1811 gründete der Essener Kaufmann Friedrich Krupp seine Fabrik – während der Kontinentalsperre Napoleons, um die Versorgung Deutschlands mit dem damals einzigartigen englischen Gußstahl zu sichern. Die Essener waren stets unter den ersten bei der Anwendung neuer Verfahren im Eisengießen und -schmieden. Vor allem Friedrichs Sohn Alfred Krupp erweiterte die Stahlhütte zum Konzern. Er erkannte auch früh die Chancen im Geschützbau und wurde dann zu einem der Hauptlieferanten des kriegerischen Deutschen Reiches Bismarcks und der Hohenzollern. Beim Tod von Alfreds Sohn Friedrich Alfred Krupp ist sein Unternehmen mit 43.000 Mitarbeitern einer der größten Konzerne Deutschlands, der damalige Rüstungsgigant schlechthin.

August Thyssen war dagegen geradezu ein Jungspund. Erst seit 1871 betrieb er ein Stahlwerk in Mülheim an der Ruhr. Doch auch seine Geschäfte liefen prächtig, so daß er schon vor dem Ersten Weltkrieg einen international operierenden Konzern befehligte. Nach der Niederlage und Geschäftseinbußen reagierten vier Bosse von der Ruhr mit einem Zusammenschluß ihrer Geschäfte. Unter der Leitung von Thyssen – allerdings ohne Krupp – produzierten sie 40 Prozent des Rohstahls in der Weimarer Republik. Fritz Thyssen war maßgeblich an der Finanzierung der Nazis durch die Großindustrie beteiligt.

Nachdem im Zweiten Weltkrieg die Stahlprodukte von Thyssen oder Krupp in ganz Europa zum mörderischen Einsatz kamen, ging es nach 1945 an den Wiederaufbau und damit abermals aufwärts mit den Konzernen – wobei Thyssen sein zweites Standbein mit dem Handel von Gütern aller Art ausbaute. Krupp konzentrierte sich notgedrungen mehr auf den Maschinenbau, weil die Alliierten lange Jahre mit dem erzwungenen Verkauf der Bergwerke und Stahlhütten drohten. Bei den Essenern hat von 1953 bis heute Berthold Beitz das Sagen. Er wandelte den Konzern 1968 in die Alfred Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung um, benannt nach dem damaligen Besitzer.

Krupp hatte durch seine Konzentration aufs Stahlgeschäft stärker unter den regelmäßigen Krisen der Branche zu leiden. Seit 1987 ließ Beitz die Sanierungsarbeit in der Stahlsparte der Firma vom schneidigen Juristen Gerhard Cromme erledigen. Der hatte sich zunächst eines plumpen Übernahmeversuchs durch – ausgerechnet – Thyssen zu erwehren. Der damalige Thyssen-Chef hatte Beitz mit einem Kaufangebot überrumpeln wollen. Der fühlte sich gedemütigt und lehnte ab. Cromme seinerseits ging jetzt forsch ans Werk und übernahm den Konkurrenten Hoesch. Seit 1991 verloren bei der Fried. Krupp AG Hoesch-Krupp – so der offizielle Name – 30 Prozent der damaligen Belegschaft ihren Arbeitsplatz. Von den heute etwa 68.000 arbeiten nur noch 10.000 im Stahlbereich. Cromme aber wurde 1992 zum Manager des Jahres gewählt und stieg gleichzeitig zum Konzernchef von Krupp-Hoesch auf. Die Bilanzen konnte er nur langsam aus den roten Zahlen bringen.

Trotz der hohen Kosten der Sozialpläne und der anhaltenden Flaute bei den Stahlpreisen ist Krupp-Hoesch heute allerdings knapp im Plus. Jetzt will Cromme den Hoesch-Coup wiederholen: ein gesundes Unternehmen aufkaufen und in dem entstehenden Durcheinander bei Politik und Betriebsräten harte Sanierungen durchsetzen. Reiner Metzger

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