Reiselust auf Steuerzahlerkosten ungebrochen

■ Arbeitsdeputierte denken nicht daran, auf ihren Reisekostenzuschuß zu verzichten

Peter Sörgel (SPD) will sich seine Reiselust nicht verderben lassen. Drei Tage will er im April mit der Arbeitsdeputation nach Brüssel reisen – auf Kosten der Steuerzahler, versteht sich. Doch während sein Kollege Klaus Möhle (Grüne) die Reise selbst bezahlen will (taz 15.3.), um angesichts leerer Kassen ein Zeichen zu setzen, denkt Sörgel gar nicht daran, auf den Reisekostenzuschuß zu verzichten. „Wie kommen Sie eigentlich dazu, mir so eine Frage zu stellen“, empörte er sich, fuchtelte wild mit den Armen und flüchtete in den Plenarsaal.

100.000 Mark hat die Große Koalition von CDU und SPD den Deputierten im Sparhaushalt 1996/97 für Reisen reserviert. Die Reiselust der Feierabend-Politiker kennt seither keine Grenzen. Die Baudeputation will nach Barcelona, die Hafendeputation dikutiert noch, ob sie lieber Singapur oder Indien bucht. Und die Arbeitsdeputation will für rund 15.000 Mark nach Brüssel.

Auch Gisela Hülsbergen (SPD) gab sich wortkarg. „Ich nehme den Zuschuß in Anspruch.“Warum? „Das ist so.“Und warum ist das so? „Ich habe noch nicht darüber nachgedacht, den zu verspenden.“Auch Klaus Peters (CDU) will nach Brüssel: „Wenn ich als Politiker die Möglichkeit bekomme, mein Hintergrundwissen zu erweitern, mache ich das.“Obwohl er in Brüssel auch Vorträge zu hören bekommt, die auch in Bremen gehalten werden könnten (die Bremer Europaabgeordnete Karin Jöns (SPD) spricht über die „Einschränkungen zur Reform der Strukturfonds und die Möglichkeiten der Einflußnahme“), hofft er, sich „einen Schritt politisch weiterzuentwickeln“.

Genauso sieht das SPD-Mann Wolfgang Jägers. „Die Fahrt ist dienstlich verordnet, also bezahle ich nicht dafür. Außerdem bringe ich schon vier Tage von meinem Jahresurlaub ein und führe alle meine Diäten an meinen Arbeitgeber ab, der davon das Personal bezahlt, das mich vertritt, wenn ich in der Bürgerschaft bin“, verteidigt sich der Gewerkschaftssekretär der IG-Metall.

„Wenn Herr Möhle seinen Zuschuß spenden will, soll er das machen“, meint Karin Tuczek (CDU). „Ich werde den Zuschuß in Anspruch nehmen. Schließlich ist das keine Lustreise, sondern es ist anstrengend.“

Parteikollege Uwe Siefert schließt sich an: „Dieser Zuschuß ist das gute Recht jedes Parlamentariers, und ich werde mir dieses Recht nicht nehmen lassen.“Er hält Möhles Vorstoß für „populistisch“: „Wenn dieses Thema nicht schon durch die Presse gegangen wäre, wäre er gar nicht darauf gekommen.“

Auch der zweite Grüne in der Arbeitsdeputation, Helmut Zachau, erklärt: „Diese Reise mache ich nicht zum Vergnügen, die unternehme ich im Rahmen meiner Tätigkeit.“Er habe auf ein ordentliches Programm gepocht. Zachau sieht aber Diskussionsbedarf. Er will das Thema „Dienstreisen“allerdings politisch klären, man könne dem Konflikt nicht durch die Haltung von Klaus Möhle ausweichen.

Ganze zwei Deputierte liebäugeln jetzt mit einer Spende.

Hasso Kulla (SPD) überlegt: „Wenn wir den Zuschuß kriegen, kann es sein, daß ich den spende - in die Vulkankasse.“Rolf Reimers von der AFB will nur unter besonderen Bedingungen spenden: „Ich glaube nicht, daß Geld verplempert wird, aber wenn ich das Gefühl habe, daß irgendwelcher Touristickram in den Preis einfließt, werde ich das selbst bezahlen“, verspricht er.

Inken Hägermann