: Ein Tabu: Die Kosten der Nato-Osterweiterung
■ Auf die Nato-Partner, insbesondere die USA, kommen immense Ausgaben zu
Seit drei Jahren bereitet die Nato ihre Osterweiterung vor. Doch über die finanziellen Folgekosten dieser Ausweitung sowohl für die neuen wie für die 16 alten Mitglieder schweigt sich die westliche Allianz bis heute aus. Aus gutem Grund.
Denn nach allen inzwischen von unabhängigen wie von regierungsabhängigen Institutionen vorgelegten Untersuchungen werden diese Kosten insbesondere die Haushalte der neuen osteuropäischen Mitgliedstaaten enorm belasten und diese Länder zu erheblichen Umschichtungen zugunsten ihrer Militärbudgets zwingen, das heißt zu Lasten von Ausgaben für Soziales oder die dringend erforderliche Modernisierung von Industrie und ziviler Infrastruktur. Wenn diese Perpektive den Bevölkerungen in den beitrittswilligen Staaten bewußt würde, könnte dies einen Meinungsumschwung gegen eine Nato-Mitgliedschaft bewirken.
Die bislang umfassendste Untersuchung legte das Haushaltsbüro des US-Kongresses (CBO) vor. Darin werden die Folgekosten für die vier Staaten der Visegrad- Gruppe – Polen, Ungarn, Tschechische Republik und Slowakei – untersucht, von denen die ersten drei derzeit als Kandidaten mit den besten Chancen für eine Nato-Mitgliedschaft gelten. Die Studie beschreibt fünf verschiedene Optionen der „Anpassung“ von Ausrüstung, Bewaffnung und militärischer Infrastruktur dieser Länder an Nato-Standards. Wobei „Anpassung“ in der Regel den Kauf neuer Waffen und Ausrüstung bei Rüstungsfirmen in den alten Nato- Staaten meint, die den künftigen Markt bereits eifrig umwerben. Die billigste der fünf Optionen führte in den ersten 15 Jahren nach Aufnahme zu Mehrausgaben von 42 Milliarden US-Dollar. Dieses würde eine Erhöhung der Militärhaushalte dieser vier Staaten um 60 Prozent oder von derzeit 2,2 auf 3,6 Prozent des Bruttosozialprodukts erforderlich machen. Für die vergleichsweise ärmeren Beitrittskandidaten wie Bulgarien oder Rumänien wären die Kostenbelastungen noch höher. Die teuerste der fünf Optionen, die auch die Schaffung militärischer Infrastruktur zur Verlagerung von Streitkräften aus den alten in die neuen Nato-Staaten vorsieht, würde die vier Visegrad-Staaten mit 52 Milliarden Dollar belasten. Bei den 16 Altmitgliedern führte diese Variante zu Mehrbelastungen von 73 Milliarden Dollar.
Der größte Teil dieser Belastungen käme auf die USA zu. Diese unbequeme Wahrheit versucht das Pentagon derzeit zu vertuschen. Aus Sorge, im US-Kongreß könnte Widerstand gegen die von der Clinton-Administration mit Eifer betriebene Nato-Osterweiterung entstehen, manipulierte das Verteidigungsministerium in einer Vorlage für die Senatoren und Abgeordneten die Kostenabschätzungen des Haushaltsbüros um zwei Drittel nach unten. Andreas Zumach
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