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„Den Menschen zum Buch führen“

■ Hamburger Thalia-Filiale in der Bremer Innenstadt erlebte Riesenansturm

Der Bremer Innenstadt-Buchhandel hat den Tag X hinter sich. Als hätte es wochenlang keine Bücher zu kaufen gegeben, knubbelte sich das Volk gestern im grau-blau neueröffneten Thalia-Buchladen im ehemaligen Dörbecker-Haus in der Sögestraße. Unter den Neugierigen: Bremer Abgeordnete ebenso wie kritische Buchhandels-KollegInnen aus der ganzen Stadt; nicht zuletzt auch Inkognitio-Missionen aus dem kürzlich aufgeputzten Phönix – dem Ex-Montanus-Laden der Douglas-Kette zwei Häuser weiter. Dort kommentierte man anschließend die Geheimnisse der Regalaufstellung – längst oder quer – und das Sachbuchsortiment „enttäuscht“. Zeit dafür blieb den Phönixern allemal. Durch ihr verglastes Eingangsloch in voller Ladenbreite tröpfelte der Publikumsverkehr ebenso spärlich wie in die Storm'schen Buchhandlungen in der Langenstraße.

Bei Thalia drinnen wurde derweil gesucht, geblättert – und bestellt. Trotz rund 80.000 aufgestellten Titeln fehlten nämlich nicht nur Kleinode wie das Erstlingswerk des Wiener Schriftstellers Daron Rabinovici. Anderes war nur im Computerverzeichnis als vorhanden aufgelistet, aber im Nirwana von 1.200 Quadratmetern Ladenfläche abgetaucht. „Die großen Malerinnen“in der ansonsten weitgehend männlich orientierten Kunstabteilung zum Beispiel. Doch solcher Fehlbestand beruhigt BuchhändlerInnen im Viertel und in der Neustadt, die die Hamburger Thalia-Häuser ansonsten mit Anerkennung würdigen. Sie geben jetzt Entwarnung für die eigene Lage – und schätzen, daß Storm gegen die kapitalkräftige Konkurrenz bestehen kann. In der neuen Bremer Thalia-Filiale war unterdessen auch der Chef des Familienunternehmens, Jürgen Könnecke, nicht nur stolz. Daß statt internationaler Presse nur das Main-Stream-Sortiment eines schlecht sortierten Neustadt-Kiosks ausliegt, „muß verbessert werden“, sagt er. Dazu will er den Kampf mit Bremens Zeitschriften-Grossisten aufnehmen, den Montanus erst im Herbst verlor – und daraufhin die Zeitschriften einstelltte. Die Thalia-Reiseabteilung samt Reisevideos und Karten kann sich dagegen sehen lassen: Mit 17 Reiseführern über Südafrika. Wenn in der Sprachenabteilung auch niemand weiß, welche Sprache um Himmels willen in diesem Spitzen-Reiseland gesprochen wird, liegt der Bremer Newcomer doch um einige Südafrika-Titel vorm Nachbarn Phönix. Daß dabei die großen Bildbände mitzählen, ist logisch – schließlich setzt Thalia „nicht auf Verdrängung, sondern darauf, mehr Menschen zum Buch zu führen“, so Könnecke. Das sind versöhnliche Worte angesichts des bereits angepfiffenen Wettrennens unter Innenstadtbuchhändlern, bei dem der Bremer Traditionsbuchhändler Sieglin vor den kapitalkräftigen Phönix- und Montanus-Niederlassungen bereits ins zweite Glied trat. Seine ursprünglich geplante Niederlassung in der Sögestraße blies er ab, nachdem Thalia sich angekündigt hatte. ede

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