: Unfreundlichkeit lohnt sich
■ Innerhalb von nur drei Jahren hätte sich die Übernahme von Thyssen für Krupp gerechnet, haben die Analysten der Banken für den Krupp-Chef ausgerechnet
Berlin (taz/dpa) – Die Geheimnisträger von Krupp und Thyssen haben gestern ihre Verhandlungen fortgeführt. An einem nicht genannten Ort sprachen die Vorstandsvorsitzenden der beiden Stahlkonzerne, Gerhard Cromme und Dieter Vogel, über die Modalitäten einer Zusammenarbeit. Bis Donnerstag wollen sie klären, ob sie fusionieren oder Krupp den größeren Konkurrenten Thyssen übernimmt. Vor einer Woche war durchgesickert, daß die Krupp Hoesch AG eine feindliche Übernahme der Thyssen AG plane.
„Wir sind auf gutem Wege“, hat Thyssen-Chef Vogel seinem Betriebsratsvorsitzenden Georg Bongen mitgeteilt. Für die Thyssen-Arbeiter bedeutet dies nach eigener Interpretation, daß die feindliche Übernahme abgewendet ist. Ebenso hatte sich am Samstag auch Klaus Matthiesen geäußert. Als SPD-Fraktionsvorsitzender im Landtag von Nordrhein-Westfalen sitzt er auch im Aufsichtsrat von Krupp Hoesch.
Die an dem Coup beteiligten Banken sind dabei weiter in die Kritik geraten. So sollen die Londoner Investmenttöchter der Deutschen und der Dresdner Bank und das englische Investmenthaus Goldmann Sachs das Übernahmekonzept ausgearbeitet haben. Angeblich hat Krupp-Chef Cromme den Banken 200 Mio. Mark für die Analyse gezahlt, meldet der Spiegel. Die Summe wurde gestern von einem Unternehmenssprecher „als völlig unrealistisch“ dementiert. Nicht jedoch, daß es die Studie mit dem Titel „Hammer und Thor“ gibt.
Die Finanzanalysten haben ausgerechnet, daß bereits bis zum Frühjahr 1998 die Kosten der feindlichen Übernahme auf ein verträgliches Maß gestutzt werden könnten. Bis zum Jahr 2000 hätte der fiktive Konzern Krupp Hoesch/Thyssen seine Kredite bei den Bankinstituten gar auf 7 Milliarden Mark reduziert. „Dies ist weniger als die Summe der Finanzschulden von Hammer und Thor vor dem Zusammenschluß in Höhe von 8,1 Milliarden Mark“, zitiert der Spiegel aus der Finanzanalyse. Mehr als die für den Thor-Erwerb aufgenommenen Finanzschulden wären somit zu dem Zeitpunkt getilgt.
Während diese Studie erarbeitet wurde, saß das Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, Ulrich Cartellieri, im Thyssen-Aufsichtsrat und wartete ab. Neben ihm hatten auch Wolfgang Röller, Aufsichtsratsvorsitzender der Dresdner Bank, und Walter Seipp, Aufsichtsratschef der Commerzbank, im Thyssen-Gremium mitzureden. Auch der Allianz-Chef Henning Schulte-Noelle sitzt im Aufsichtsrat von Thyssen. Pikant, da die Allianz an Banken beteiligt ist. Ob sie alle von den Übernahmeplänen wußten, ist noch unklar. Cartellieri immerhin hat es zugegeben. Aber: „Ich durfte den Thyssen-Vorstand gar nicht informieren, nachdem die Deutsche Bank sich entschlossen hatte, das Übernahmeangebot von Krupp-Hoesch zu begleiten. Es ging um das vertrauliche Geschäftsvorhaben eines konkurrierenden Kunden unseres Hauses.“
Die Thyssen-Arbeiter haben am Wochenende ihren Marsch auf Frankfurt vorbereitet. „Am kommenden Dienstag, 11.55 Uhr, werden mehr als 50.000 Arbeitnehmer Frankfurt dichtmachen“, sagte Thyssen-Betriebsrat Bongen. „Wir haben Angst davor, daß über unsere Zukunft demnächst nicht mehr von der demokratisch gewählten Regierung, sondern von den Banken entschieden wird.“ ufo
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