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Goldgerahmt und zugekifft

■ Charmant und vernebelt: Eine Ausstellung im Delphi Theater blättert im Star-Club-Fotoalbum

Sie sollen ja früher so schüchtern gewesen sein. Doch manchmal putschten Pillen und Bier die Zunge zu Derbem auf. Dann beschimpften sie das „Star-Club“-Publikum an der Großen Freiheit 39 als Nazis. Wurde ihnen später die britische Fäkalsprache knapp, hauten sie auch mal zu. Die Beatles 1962 in Hamburg – ein pubertärer, prolliger Haufen, der Hamburgs erstem Beat-Laden den Höhepunkt in seiner Geschichte bescheren sollte. Die „Star-Club“-Ausstellung, die der Ex-Club-Fotograf und Gründer des St.Pauli Museums, Günter Zint, aus Fotos und zufälligen Kellerfunden im Foyer des Delphi zusammengestellt hat, soll nocheinmal der Talent-und Entdeckungs-Bude der 60er und 70er die Ehre erweisen.

Während auf der Bühne im Delphi die letzten Proben zu dem Musical Pico über das gleichnamige Club-Faktotum laufen, ruhen im Foyer in einer überschaubaren Anzahl Glasvitrinen die Reliquien und erzählen verzückt aus alten Zeiten. Davon, wie die Behörden unter prüden Gründen dem Haus immer wieder an die Konzession wollten, wie es 1983 niederbrannte und als Sexschuppen „Salambo“aus der Asche stieg. Davon, daß Star-Club-Betreiber Manfred Weißleder die Beatles für anstrengende Heißspörnchen hielt und für unprofessionelle Musiker obendrein.

So munkelt die Legende und kann gar nicht aufhören, Unerhörtes und Unglaubliches mit Goldrahmen zu versehen. Da soll es Haufen von Erbrochenem in der Bandunterkunft gegeben haben, auf deren Gipfel die Beatles triumphierend kleine United-Kingdom-Fähnchen pieksten. Und Paul McCartney und Pete Best, der erste Drummer der Gruppe, sollen aus schierer Geldnot einen Seemann überfallen haben. Und dann war da noch die Geschichte mit John Lennon und dem Hausschwein...

Insgesamt eine liebevolle Devotionalien-Schau, in der von der Überstunden-Abrechnung für die Musiker bis zur Lennon-Locke keine Wünsche offen bleiben. Und eine, die sich ihrer ungebrochenen, rückwärtigen Euphorie nicht schämt. Ranzig gewordene Exzess-Erinnerung und der Tusch auf herrlich vernebelte Zeiten machen ihren unbedingten Charme aus. Hingerissen von der eigenen Begeisterung und dem Stolz des Dabeigewesenseins wird auch die alte Kamera des Kiez-Fotografen Zint ausstellungswürdig, hat sie doch von Steve Winwood bis Jimi Hendrix alle gesehen. So liegt sie einträchtig aufgebahrt neben Schildchen wie „Günter Zint hat mit diesem Fotoapparat (Canon R 2000) gearbeitet“und Abbildungen von dem einen Brunnen, an dem „man sich bis zum Abwinken die Birne zugekifft hat“. B. Glombitza

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