■ Sternenfreund: Martin Birkmaier, Teleskop-Konstrukteur
: Gucken bis zur Supernova

Augsburg (taz) – Der Mann dreht an einem Rad, das aussieht wie das Schwungrad einer alten Nähmaschine – nur eben viel größer. Das mächtige Teleskop schwenkt nach oben. „Schauen Sie“, sagt er, „dieses Fernrohr mit Halbmeter-Öffnung läßt sich ganz einfach bedienen. Und was noch viel wichtiger ist: Ein Mensch kann es in fünf Minuten ganz alleine abbauen und ins Auto verladen.“ Martin Birkmaier hat das beeindruckende Gerät selbst entwickelt und selbst gebaut. „In der konventionellen Bauweise würde es hier in Augsburg festzementiert stehen, zwei Tonnen schwer und unverrückbar.“

Ein wenig Stolz schwingt schon mit in der Stimme dieses Mannes, dem sein Freizeitvergnügen schon vor Jahren zu einem neuen Beruf verholfen hat. „Als Hobbyastronom hat man so seine Vorstellungen davon, welchen praktischen Anforderungen die Instrumente gewachsen sein sollten. Deshalb habe ich eben irgendwann versucht, mir meine Fernrohre selbst zu bauen.“

Auf allen möglichen elektronischen Schnickschnack wird bei den Birkmaier-Fernrohren bewußt verzichtet. Robust und leicht zu transportieren müssen sie sein. Wenn das Wetter paßt, dann wird flugs eines der Fernrohre, am liebsten natürlich das Halbmeter- Rohr, ins Auto gepackt und zum richtigen Standort gefahren, auf den Großglockner beispielsweise. Dann heißt es die ganze Nacht über gucken, gucken und nochmals gucken. „Das ist für mich die höchste Entspannung, die ich mir vorstellen kann“, sagt der Konstrukteur, der bei der Schilderung einer Supernova, also der Explosion eines Sternes, grenzenlos ins Schwärmen kommen kann.

Sechs Monate Lieferzeit muß akzeptieren, wer von Birkmaiers Firma „Intercon Spacetec“ ein Fernrohr haben will. Zu spät für diejenigen, die sich an einem der beeindruckendsten Kometen der letzten Jahrzehnte ergötzen wollen, an Hale-Bopp. Traurig braucht deshalb niemand zu sein. „Diesen Kometen sehen Sie auch mit dem bloßen Auge.“ Wer daheim ein einfaches Fernglas hat, kann dieses Schauspiel am nordwestlichen Nachthimmel noch besser beobachten.

Im Januar schon hatte Martin Birkmaier Hale-Bopp immer wieder im Visier. „Wenn Sie genau hinschauen, dann sehen Sie ihn aus dem Schwan herauswandern, südlich an der Eidechse vorbei und nördlich des Pegasusquadrats in die nördlichen Bezirke der Andromeda eindringen“, erklärt er fasziniert. Der riesige Klumpen Eis und Dreck ist eines jener Objekte am Himmel, die das Herz eines jeden Astronomen höher schlagen lassen. „Das wird einer der hellsten Kometen seit Jahrzehnten, ach was, seit Jahrhunderten“ prognostizierte Birkmaier schon zu Jahresbeginn.

So manche Kollegen stimmen da mit ihm voll überein. Obwohl Hale-Bopp „nur“ 200 Millionen Kilometer nah an die Erde herankommt – im vergangenen Jahr tauchte Komet „Hyakutake“ in einer Distanz von 15 Millionen Kilometern auf – könnte Hale-Bopp einen Sonderstatus erlangen: Womöglich wird er, nach den beeindruckenden Schweifsternen, die im 15. und 18. Jahrhundert zu sehen waren, der drittgrößte Komet seit Christi Geburt.

„Sie kennen doch das Weltraumteleskop Hubble“, sagt Astronom Birkmaier. „Die haben damit jetzt ein Foto gemacht von einem sogenannten ,deep field‘. Einhundertzwanzig Stunden Belichtungszeit auf einen klitzekleinen Fleck, der nach bisherigem Wissensstand leer war bis auf zwei Sterne. Ein absolut leeres Stück Himmel.

Und da drauf sind mittlerweile 300 Galaxien zu sehen, 300 Galaxien à 100 Millionen Sonnen.“ Sternengucken als pure Lust: Photonen-Tanken heißt das in der Fachsprache. Menschliche Zeiträume sind nichts, meint der Augsburger Astronom, der seit seiner Jugendzeit fasziniert ist vom Himmel und von den Zeiträumen des Weltalls. „Irgendwann wird unsere Erde verdampft werden von unserer Sonne, in ein paar Millionen Jahren“, bilanziert er nüchtern. „Dann nämlich, wenn unsere Sonne ihren Wasserstoff verbraucht hat, wird sie sich aufblähen zu einem roten Riesen, und dann wird die Erde in ihrer Umlaufbahn in Null Komma nichts verdampft sein.“

Einmal einen Kometen als erster entdecken – das wäre so was wie ein Traum für den Astronomen Birkmaier. Und wenn der dann vielleicht schon nach zwanzig, dreißig Jahren wieder an der Erde vorbeifliegen würde und die Leute sich dann über den Kometen „Birkmaier“ freuten... Aber na ja, nachdem es weltweit rund fünfzig bis hundert Kometenjäger gibt, ähnlich wie „Twister“-Jäger, wird wohl so schnell nichts daraus werden.

Und so bleibt Martin Birkmaier nur das ganz normale Sternengucken, aber das ist ja auch schon, im wahrsten Sinne des „Mr.-Spock- Wortes“, faszinierend. Klaus Wittmann