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Luftkampf um Milliarden

Boeing will Airbus mit neuer Verkaufsstrategie überrumpeln. Riesenflieger A-3XX gegen Jumbo 747 – kommt Montage nach Rostock?  ■ Aus Toulouse Anatol Johansen

Das zeigt eindeutig, wieviel Angst sie vor uns haben. Nachdem sie McDonnell Douglas gekauft haben, wollen sie uns jetzt kaputtmachen. Aber wir werden uns das nicht gefallen lassen.“ Mit diesen Worten reagierte Barbara Kracht, Sprecherin der Airbus Industrie in Toulouse, auf die Nachricht, daß die Boeing Company in Seattle und die Fluggesellschaft Delta Airlines (Atlanta, Georgia) einen Vertrag ausgehandelt haben, der den Flugzeugbedarf der Luftlinie gleich für die nächsten 25 Jahre decken soll.

Der Vertrag sieht vor, daß Delta bis zum Jahre 2006 106 Boeing- Maschinen im Gesamtwert von 6,7 Milliarden Dollar kauft. Für weitere 125 Maschinen habe Delta für die nächsten 25 Jahre Optionen genommen, meldet die Deutsche Presse-Agentur aus New York. Damit belaufe sich die Abmachung auf 15 Milliarden Dollar.

Es ist der zweite Erfolg des größten Flugzeugherstellers der Welt bei dem Bemühen, die Konkurrenz aus dem Markt zu kaufen. Schon vergangenes Jahr hatten die Flugzeugbauer aus Seattle einen ähnlichen langfristigen Deal mit American Airlines ausgehandelt.

Damit versucht man offenbar, die Europäer mit einer Langzeitstrategie erst einmal vom amerikanischen Inlandsmarkt zu verdrängen. „Sie haben ja dort ohnehin die führende Position“, meint denn auch Barbara Kracht, „aber jetzt wollen sie das Monopol.“ Es besteht allerdings auch nur wenig Zweifel daran, daß Boeing mit dieser Strategie auch auf die ausländischen Märkte gehen dürfte, sowie sich eine Chance dazu böte.

Sicher ist, daß Delta und American mit der langfristigen Bindung an Boeing für sich sehr günstige finanzielle Bedingungen herausgeholt haben. Andererseits läge es kaum im Interesse der Weltluftfahrt, wenn das knallharte Vorgehen Boeings tatsächlich Erfolg hätte und nach Lockheed und dem Absterben von McDonnell Douglas auch noch die Airbus Industrie vom Weltmarkt für Passagierjets verdrängt würde. Dann könnte Boeing die Preise bestimmen.

Allerdings spricht recht wenig dafür, daß dies den US-Amerikanern gelingen dürfte. Heute fliegen mehr als 1.500 Airbus-Maschinen bei mehr als 125 Fluggesellschaften in aller Welt. Insgesamt sind bislang mehr als 2.200 Maschinen bestellt worden. Das Airbus-Auftragspolster hat einen Umfang von 58 Milliarden Dollar. Allein im vergangenen Jahr wurden 326 Maschinen neu bestellt. Die Airbus- Produktion wurde um 37 Prozent hochgefahren, läuft inzwischen auf Hochtouren, hat in Teilbereichen die Kapazitätsgrenze erreicht.

Angesichts dieser Erfolge leidet man in Toulouse, am Sitz der Airbus Industrie, trotz der neuen Verkaufsstrategie von Boeing, denn auch keineswegs unter falscher Bescheidenheit. Ganz im Gegenteil, John Leahy, Senior Vice President Commercial bei Airbus, rechnet jetzt damit, daß die Europäer etwa im Jahre 2002 ihr altes Ziel erreichen werden, mit den Amerikanern gleichzuziehen und etwa die Hälfte der weltweit benötigten Passagierjets zu liefern.

Doch erst ein Jahr später soll das geplante Airbus-Meisterstück erstmals an die Luftlinien ausgeliefert werden, das größte Passagierflugzeug der Welt, der A-3XX für 550 bis 650 Passagiere – Stückpreis 200 Millionen Dollar, Entwicklungskosten ca. 10 Milliarden Dollar. Mit ihm hofft man, den amerikanischen Jumbo-Jet Boeing-747 abzulösen. Die Chefs von Boeing haben die Entwicklung eines „Super-Jumbos“ in der Größe eines A-3XX offiziell gestoppt, weil nach ihrer Meinung am Weltmarkt kein ausreichender Bedarf besteht. Doch diese Entscheidung können sie angesichts der verhältnismäßig kurzen Entwicklungszeiten der Modelle aus Seattle jederzeit wiederrufen, meinen Experten.

Einzelne Bauteile des 71 Meter langen und 25 Meter hohen doppelstöckigen Airbus sind so groß, daß sie weder auf dem Luftweg noch auf Straße oder Schiene nach Toulouse transportiert werden können. Dort werden bis heute alle großen Airbus-Versionen endmontiert. So wird derzeit untersucht, ob man die sperrigen Airbus-Komponenten nicht per Schiff transportieren und dann an einem Küsten-Standort montieren lassen kann. Vier Hafenstädte stehen gegenwärtig noch in der engeren Wahl, Sevilla (Spanien), Saint Nazare (Frankreich) und in Deutschland Hamburg und Rostock.

Dabei könnte die alte Hansestadt an der Warnow insofern gewisse Chancen haben, als EU- Richtlinien finanzielle Förderungsmöglichkeiten im Bereich von 25, 35 und 50 Prozent für Industrieansiedlungen in bestimmten Regionen vorsehen. Rostock aber gehört eindeutig zu diesen, von der EU zu fördernden Gebieten.

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