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Natürliche Nadelstiche

Mit Ohr-Akupunktur lassen sich Nikotin- und Naschsucht bekämpfen. Doch ohne die richtige Motivation läuft nichts  ■ Von Maja Schuster

Frühling – das ist die Zeit, in der schon längst nicht mehr Mörikes blaues Band flattert. Das Maßband regiert: Weg mit dem Speck auf Hüften und Schenkeln, der sich während der Wintermonate angesammelt hat, her mit der Blitz-Diät, die in kürzester Zeit das Schmelzen der Pfunde verspricht. Doch Diäten, auch kurze, sind mühsam. Wie wär's statt dessen mit Akupunktur? Ein Pieks oder zwei, und schon kann frau und man essen, wie's beliebt, und trotzdem schlank werden?

„Nein“, sagt Ilse Borek kategorisch. Seit 20 Jahren praktiziert die Heilpraktikerin und Graphologin in Hamburg – ihr Spezialgebiet: chinesische Ohr-Akupunktur gegen Naschen und Rauchen. Gelernt hat sie diese Methode während ihrer Heilpraktiker-Ausbildung von einem chinesischen Lehrer und seither durch Fortbildungen und Seminare immer weiter vertieft. Denn da die Akupunktur eine „reine Erfahrungslehre“sei, lerne man nie aus.

Wer sich von seiner Genußsucht befreien will, dürfe nicht erwarten, daß durch drei Nadeln im Ohr die Qual des Aufhörens sofort vorbei sei. „Durch das Stechen an bestimmte Energiepunkte im Ohr kommt es zu einer Umstimmung“, erklärt Ilse Borek. Die PatientInnen fühlen sich entspannt und finden Ruhe und Gelassenheit, um der geliebten Tafel Schokolade oder dem Glimmstengel leichter zu widerstehen.

„Es ist eine allgemeine Beeinflussung der Befindlichkeit“, beschreibt Heilpraktikerin Borek die jahrtausendealte chinesische Heilmethode der Körperakupunktur. Aktiviert werden Punkte, die auf Meridianen liegen, die von Kopf bis Zehenspitze durch den Körper verlaufen und bestimmten Organen zugeordnet sind. Deshalb könnten auch Leiden wie Migräne, Magengeschwüre oder Rückenverspannungen nur dann gelindert werden, wenn Nervosität und andere psychosomatische Erscheinungen Ursachen seien.

Bevor die erste Nadel gesetzt wird, finden Gespräche statt. Ilse Borek versucht herauszufinden, wie die Motivation ihrer PatientInnen ist und ob sie sich in der richtigen Lebenslage befinden, um von ihrer Sucht oder psychosomatischen Krankheiten loszukommen. In einigen Fällen kann eine Diagnose anderer FachmedizinerInnen bei der Entscheidung helfen, ob Akupunktur überhaupt sinnvoll ist. Für Abhängige von harten Drogen beispielsweise, die clean werden wollen, lehnt Ilse Borek die Nadeln strikt ab. „Das ist zuviel. Dazu gehört eine umfangreiche psychische Behandlung. Es wäre Scharlatanerie, solchen Leuten Heilung zu versprechen.“

Bei Nikotinabhängigen dagegen oder solchen, die vom Naschen nicht lassen können, sind die Erfolgsaussichten gut – vorausgesetzt, die Motivation stimmt. „Umsonst“allerdings ist der Abschied von der Sucht nicht zu haben. Im Gegensatz zur Schmerzakupunktur, die beispielsweise von der Techniker Krankenkasse finanziert wird, weil sie „wissenschaftlich anerkannt“sei, übernehmen die Kassen diese Kosten nicht (siehe unten).

In Hamburg gibt es mehrere private HeilpraktikerInnen-Schulen, die in ihren Ausbildungen erste Kenntnisse von Akupunktur vermitteln – sowohl in Vollzeitausbildungen als auch in berufsbegleitenden Kursen mit unterschiedlicher Ausbildungsdauer und Preislage. Die Ein- oder Mehrwegnadeln, im Zehner- oder Hunderterpack, aus Edelstahl, Gold oder Silber, werden in Akupunkturbedarfsläden verkauft.

Wer sich allerdings im Selbstversuch zum disziplinierten Eßverhalten erziehen möchte, hat schlechte Karten. Die notwendigen Nadeln werden ausschließlich an HeilpraktikerInnen, SchülerInnen und behandelnde ÄrztInnen abgegeben.

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