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Zelebrierte Gastlichkeit

■ Nicht nur für Schwule und Lesben ist Finns Pension in Skagen ein Tip. Besitzer Jörgensen läßt es an nichts fehlen

Am Östre Strandvej Skagens sieht man nur Zeugnisse bürgerlicher Gediegenheit: Villen, aber auch unauffällige, gelbe Häuschen, die abends, wenn sie von innen beleuchtet sind, erkennen lassen, daß bei den Inhabern Geld nur eine dienende Rolle spielt. Ein Haus paßt nicht in diese Kette: „Finns Pension“ ist mit schwarzer Teerfarbe gestrichen und sieht aus wie eine billige Blockhütte – was sie aber in der Tat nicht ist, im Gegenteil.

Der Inhaber Finn Jörgensen zelebriert Gastlichkeit, wie sie Hotelketten angeschlossene Häuser nie erreichen werden. Jörgensen hat sich in dem 1909 von einem exzentrischen dänischen Grafen erbauten Haus vor zehn Jahren niedergelassen. Als Schauspieler und Regisseur in Arhus und Kopenhagen sah er sich an einem „Endpunkt, der mir klarmachte, mal etwas ganz anderes zu probieren“. Daß er sein Haus schwulen und lesbischen Gästen offeriert, stört in Skagens Kommune niemanden. So kann Jörgensen, er kennt sich eben in der Szene aus, so freundlich wie kühl sagen: „Alle sind willkommen, auch heterosexuelle Menschen. Auf Schwule kann man sich ja nicht verlassen – die buchen, lernen plötzlich jemanden kennen, der lieber nach Mykonos will, und kommen dann doch nicht.“

Die Stars an diesem Tag sind zwei Norwegerinnen, Tove und Liv-Marit. Die eine wohnt in Oslo, die andere in der Nähe von Trondheim. In Skagen wollen sie ihren Bund fürs Leben schließen. Sie bekommen das größte Zimmer, einen mit wenig bedrückenden Antiquitäten und geschmackvollem Dekor eingerichteten Raum mit Dachterrasse. Am Nachmittag wollen sie nach Grenen, dem nördlichsten Punkt Dänemarks, dort, wo sich Kattegat und Skagerrak, Ost- und Nordsee vermischen. Daß sie bei ihrem Marsch nicht allein sein werden, stört sie wenig. Wie alle werden sie sich breitbeinig über die kräuselnde Gischt stellen, die Nahtstelle sozusagen zwischen beiden Meeren. Liv-Marit und Tove kommen schließlich, von Champagner ziemlich angeschickert und lachend, zurück und halten ihre weißgoldberingten Finger vor den anderen Gästen hoch. Sie sehen glücklich aus.

Abends im Speisesaal sitzen die Gäste nicht an Einzeltischen, sondern an einer langen Tafel. (Erstaunlicherweise kostet das Menü weniger als alles, was à la carte in den Skagener Restaurants angeboten wird.) Es muß mit der heiteren Art Jörgensens zu tun haben, daß am Ende eines Abends alle Gäste miteinander geplaudert haben. Finn Jörgensen steht meist wie eine menschenfreundliche Ausgabe der Mrs. Manderley aus „Rebecca“ in der Tür, schenkt nach, fragt nach dem Wohlbefinden und stiftet eine Atmosphäre höflichster Heiterkeit. Nach dem Essen serviert der Gastgeber im Salon Kaffee und seinen aus Hagebutten oder aus Sanddorn selbst angesetzten Bitter.

Es macht seltsam wehmütig, diese zufällig an einem Ort zusammengekommenen Frauen und Männer so entspannt zu erleben: Von der cruisenden Nervosität der sonstigen homosexuellen Gastro- und Barszene ist nichts zu spüren, auch nicht von der Anmutung, draußen etwas verpassen zu können. JaF

Finns Pension, Östre Strandvej 63, DK-9990 Skagen.

Tel.: 0045/98450155.

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