piwik no script img

Der Alpenveilchenkrieg der CSU

■ Warum der Krach zwischen Edmund Stoiber und Theo Waigel wenig mit Politik, aber um so mehr mit Psychologie zu tun hat

München (taz) – Es ist schon seltsam, was sich derzeit in der CSU abspielt. Zu Zeiten von Franz-Josef Strauß undenkbar, ist es nun zur Alltäglichkeit geworden: Zwist wird öffentlich ausgetragen. Unisono riefen Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer und Finanzminister Theo Waigel in den letzten beiden Tagen die CSU zur Geschlossenheit auf. Zuvor hatte nicht nur Bayerns Sozialministerin Barbara Stamm den Parteichef Waigel harsch kritisiert. Erstmals forderte gar ein CSU- Ortsverband den Ministerpräsidenten Edmund Stoiber auf, die Führung der CSU tunlichst zu übernehmen.

Leicht verwundert fragt sich die Öffentlichkeit in diesen Tagen, ob das, was Waigel und Stoiber aufführen, überhaupt noch politischen Gehalt hat. Oder greifen nur noch psychologische Erklärungen? Für die Psycho-These spricht zumindest, daß derzeit die ganz alten Konflikte mit den ganz alten Verletzungen wieder wichtig sind. Zum Beispiel das Thema von Waigels erster Ehe, die ziemlich am Ende war, als die CSU 1993 einen Nachfolger für den Amigo-Ministerpräsidenten Max Streibel suchen mußte. Damals tauchte aus den endlosen Weiten der bayerischen CSU plötzlich die Überlegung auf, Waigel sei wegen seines „g'schlamperten Verhältnisses“ mit Irene Epple dem katholischen Klerus als bayerischer Ministerpräsident „nicht vermittelbar“.

Nun wäre diese Indiskretion mittlerweile fast vergessen, hätte nicht ausgerechnet Stoiber noch mal damit angefangen – und zwar mit einem Trick, den sonst nur lange verheiratete Ehepartner beherrschen. Stoiber ließ Waigel nämlich wissen, er habe damals nichts mit dieser Intrige zu tun gehabt: „Da habe ich den Theo verteidigt und diese Menschen vor so etwas gewarnt. Und das weiß der Theo auch“, erklärte Stoiber via Interview. Daß der fürsorgliche Tonfall „den Theo“ verletzt und das Thema obendrein einen schmerzhaften Punkt berührt, das weiß „der Edmund“ sicher auch.

Für die Psycho-These spricht weiterhin, daß es dem begnadeten Versachlicher der CSU, dem Chef der Landtagsfraktion Alois Glück, innerhalb weniger Minuten gelingt, alle Streitpunkte zwischen Bonn und München auf Nullniveau herunterzudefinieren. Da verweist Glück zum Beispiel darauf, daß die Junge Union in der Frage der Rentenpolitik einen viel härteren Standpunkt einnimmt, gegen den die rentenpolitischen Differenzen zwischen Waigel und Stoiber minimal sind.

Solcherlei Beschwichtigungen sorgen nur eben nicht für Ruhe in der CSU – und schon gar nicht dafür, daß sich jemand für die politische Haltung der Jungen Union interessiert. Denn wenn die „Doppelspitze“ Stoiber und Waigel ihre Trennung derart öffentlich zelebriert, wirken Sachfragen daneben ungefähr so interessant wie das Geburtsdatum eines Ehepartners in einem Scheidungsprozeß.

Nun gehört zum richtigen Showdown einer Beziehung auch eine dramatische Eskalation am Schluß. Doch die, so scheint es, verweigert Stoiber. Da warnt Waigel den Ministerpräsidenten vor dem Griff nach dem Parteivorsitz: „Wenn er das täte, dann würde das zu einem Sprung in der CSU führen, von dem sie sich bis zum Herbst 1998 nicht erholen würde“, so Waigel im Rheinischen Merkur. Stoibers Reaktion: keine. Nur einer seiner Minister wird zum Erklären nach vorn geschickt und darf zu erkennen geben, daß man das Mißtrauen des Bonner Finanzministers für leicht neurotisch hält.

Zu ahnen ist, daß dieser bayerische Alpenveilchenkrieg nicht nur mit Psychologie zusammenhängt, sondern die Kräfteverhältnisse in der Doppelspitze der CSU neu geordnet hat. Diffus bleibt, welches Ziel Stoiber anpeilt. Bundeskanzler nach Kohl? Das hat er neulich deutlich dementiert: „Ich schließe definitiv aus, daß ich Kanzlerkandidat werde“, erklärte er auf seiner Südamerikareise einem Reporter der Süddeutschen Zeitung. Oder will er erst mal noch den CSU-Vorsitz kassieren? Hier wartet man noch auf ein ähnlich deutliches Dementi Stoibers. Doch wenn Waigel in einigen Monaten zermürbt seinen Parteijob aufgäbe, wäre die Frage nach dem richtigen Ersatz beantwortet, bevor sie jemand in der Partei überhaupt laut formulieren kann. Felix Berth

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen