: Ein Baltika 4 auf das Tuten vom Horn
■ Ohne Couch-Tanz aber mit Einblicken: Das 4. JazzHaus-Festival im Mojo Club
„Das Pumpen des Basses, ... das Tuten vom Horn ... Ob ich das Taxi selber zahlen muß, ... Das Mädel hinterm Tresen lacht. Und die Kapelle spielt den Blues,“Thomas Krakowczyk, Vokalist besagter Kapelle, tut es ihr nach. Über Dinge wie Geld macht sich der dreiundreißigjährige Gitarrist schon länger keine Gedanken mehr. Schon gar nicht wenn er singt und, wie er sagt, nach dem Abstrakten, der absoluten Musik sucht, um der unendlichen Eintönigkeit der Improvisationsschemata zu entfliehen, die er in über 25 Semestern an der Hochschule gelernt hat. Instrumentaler Jazz und Dixieland ist vermutlich nicht nur für Krakowczyk „ein Kunstprodukt“, in dem er „keinen Fluß findet“.
Auch die MusikerInneninitiative des JazzHauses will mehr als Technik und Tonleitern – und veranstaltet seit vier Jahren ein eigenes Fe-stival, bei dem diesmal vierzehn Bands etwa ebenso viele Spielarten des zeitgenössischen Jazz auf die Bühne brachten. Zum erstenmal waren dabei auch auswärtige Bands zu hören. Wie das Lübecker Trio K oder Blow Up aus Hannover, die nicht nur Dank der Stimme von Ulita Kraus zu den Vocal-Highlights der Veranstaltung zählten. Ein Vergleich fällt jedoch nicht nur zu Musikerinnen wie Hamburgs grandioser Vokalistin und Pianisitin Eva schwer. Zu vielschichtig war das Angebot, das stilistisch oft innerhalb einzelner Formationen variierte. Da zupfte String Thing Rock- und Popthemen, um dann – vielleicht als Hommage an den klassischen Einsatz ihrer Streichinstrumente – einen an Michael Nyman gemahnenden Minimalismus zu inszenieren. Und Baltika 4 (benannt nach Rußlands meistgetrunkener Biersorte) verarbeiten ihren Aufenthalt in St. Petersburg eher mit Akkordauflösungen a la Pat Methany als den Leningrad Cowboys.
„Ein wichtiger Einblick in das Schaffen der jungen Hamburger Jazzszene“nannte es der Spielplan und wurde zum Programm. Auch der Altersdurchschnitt des Publikums lag nicht wie üblich irgendwo zwischen vierzig und dem Renteneintrittsalter. Dennoch schlugen die insgesamt rund 800 Jazzfans am Ende höchstens die Hände vors Gesicht. In Hamburg wird eben bloß geklatscht und vielleicht ein bißchen gejohlt. Selbst am Ende der vierten Nacht und dem umjubelten Auftritt des Gabriel Coburger Quartetts war man von einer Festivalstimmung weit entfernt. Vielleicht lag es am Sound, der aus den Lautsprechern auf dem hinteren Teil der Bühne oft eher dumpf daherkam. Vielleicht aber auch an den roten Sofas, auf denen die Zuhörer artig Platz genommen hatten. Denn schließlich tanzen echte Hanseaten höchstens in den eigenen vier Wänden auf der Couch. Anneli Dierks
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen