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■ Welt Weit GrönlingWir basteln eine Zielgruppe

„Atmen Sie tief durch, und stürzen Sie sich mit uns ins wilde Treiben des World Wide Web.“ So stand es im Editorial des ersten pl@net. Das war im November 1995. Nun gibt es pl@net nicht mehr. Das zeitgeistige Blatt, in dem Technik nur am Rande vorkam und das im Internet-Hype den Trends nicht nur nachspürte, sondern sie auch zu bestimmen versuchte, mußte einem Nachfolger weichen. Internet Professionell heißt das neue Magazin, und das, was einmal pl@net war, wurde auf eine Zehnseitenrubrik eingedampft.

Zugegeben – lesen konnte man pl@net eigentlich nicht. Nicht weil keine interessanten Sachen dringestanden hätten, im Gegenteil. Aber angesichts des bombastischen Layouts hat man sich vor lauter Ehrfurcht schon fast nicht mehr getraut, einen Artikel in Ruhe durchzuackern oder gar einer kritischen Betrachtung zu unterziehen. Abgesehen vom ekligen neongelben Cover kommt der Nachfolger schon angenehmer daher. Aber Layout ist nicht alles, auf den Inhalt kommt es an. Und die Metamorphose von einem netzpolitischen Magazin zu einer technisch orientierten Computerzeitschrift, die nichts weiter im Sinn hat, als die Kommerzialisierung des Web weiter voranzutreiben, ist höchst uninteressant. Webdesigner und „Entscheidungsträger“ sollen jetzt angesprochen werden. Die Zeit des ziellosen Herumsurfens ist vorbei, heute wird gezielt nach nutzerorientierten Informationen gesucht. Und wie man die eigene Internet-Präsenz so hinkriegt, daß Otto Normalsurfer auch mal draufklickt und womöglich wiederkommt: das soll die Informationslücke sein, die zu schließen das neue Heft verspricht.

Also Java, Active X, HTML für Profis und Softwaretests. Nur gibt es Zeitschriften, die sich mit solchen Dingen beschäftigen, wie Sand am Meer. Auf eine mehr oder weniger kommt es nicht an. Hätte der Ziff-Verlag dafür gleich das Experiment pl@net opfern müssen, nur weil die Auflage nicht an die der technischen Magazine heranreicht? Etwas mehr Geduld, auch mit der Weiterentwicklung des redaktionellen Konzepts, hätte Ziff schon haben können.

Es ist kein Wunder, daß Publikationen über das Internet aus Verlagen, die damit sonst nichts am Hut haben, so erfolgreich sind. Computer-BILD und die Sonderhefte von Fernsehzeitschriften haben es einfach nicht nötig, aufgeblähtes Fachwissen zu zelebrieren. Sie erfinden keine neuen Informationslücken und Zielgruppen, sondern orientieren sich knallhart an den realen Bedürfnissen. Dieter Grönling

groenling@compuserve.com

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