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Alice in Käferland

Macht Plakate zwischen Punk, Underground, Walt Disney und Ami-Trash: Frank Kozik zeigt Plattencover und Drucke im Comicladen „Grober Unfug“  ■ Von Harald Fricke

Noch gibt es Menschen, für die Underground eine verbindliche Antigröße darstellt, an der alles Gerede vom Minderheiten-Mainstream abprallt. Sie gehen auf Iggy-Pop-, Nick-Cave- und Danzig- Konzerte, selbst wenn ihre Helden in der Waldbühne oder im Friedrichstadtpalast spielen. Ihnen ist der Gedanke, Punk könnte Kommerz sein, völlig fremd.

Diese Gruppe antizyklisch dahinschmollender Menschen hat ein Leitbild, das der in San Francisco lebende Trash-Cartoonist Frank Kozik seit 15 Jahren auf Konzertplakaten, Plattencovern und Flyern festhält. Man sieht Nonnen in Strapsen, Hitler als Kasperlefigur, einen in Einzelteile zerlegten Bugs Bunny, eben „die Kehrseite der amerikanischen Bürgerträume von Gott, Familie und Apfelkuchen“.

Zwar weiß man bei seiner psychedelischen Horrorschau nie genau, ob Hitler nun seinen dunklen Schatten über die Kleinfamilie wirft oder doch nur als ganz persönliches Gespenst auftaucht. Auf jeden Fall meint es der 1962 in Madrid geborene Kozik ernst mit Blasphemie und Konsumkritik. Seit 1982 kombiniert er konsequent Terror und Idylle: Realität, so Kozik, läßt sich nur aus der Häßlichkeit herstellen. Plötzlich verwachsen (auf dem „Houdini“-Plattencover der Melvins) die kulleräugigen Hündchen eines Walt Disney zu siamesischen Zwillingen, die von pausbackigen Fifties-Kindern bestaunt werden. Dann schlägt sich ein goldgelocktes Kind die Knie blutig, während sein Dreirad in Flammen aufgeht. Denn so sind die Verhältnisse der Straße.

Daraus entsteht zwangsläufig eine Faszination, die das Grauen meint und zugleich meiden will. Natürlich wird Charles Manson als Dämon zitiert, der quasi die Negativfolie für so nette Events wie die Konzerte der frühen Seattler Grunge-Szene um Nirvana und anderer Sub-Pop-Bands bildet. Auf seltsame Weise verschmelzen bei Kozik Hardcore-Aufrichtigkeit und der Haß auf die kleinbürgerliche Angepaßtheit in einem Bild, das zwischen Gut und Böse nicht trennen mag: „Ich möchte Dinge produzieren, die selbst dann anziehend erscheinen, wenn ihr Inhalt abstößt.“ Darin unterscheidet sich seine Arbeit kaum von den aufklärerischen Absichten eines Grosz oder Heartfield, bei denen Verführung auch schon einem kräftigen Stoß mit dem Zaunpfahl ähnelte.

Dabei hat Kozik vor allem die Zeichenwelt verfeinert, aus der seine Vorläufer den Schrecken nahmen. Anstelle von Zeitungsfotos benutzt er seit Ende der achtziger Jahre vorwiegend Comics. Als eine Art Gegenreaktion auf die LSD-Poster der Haight-Ashbury-Jahre oder die spacigen Monsterrock-Visionen eines Roger Dean krabbeln bei ihm überdimensionale Kakerlaken und Flöhe auf bunten Kleinkinderschößen herum. Stets enden die Drogenphantasien als bad trip – Alice ist in Kafkas Käferland angekommen, und Bands wie Ministry oder Red Hot Chili Peppers haben ja tatsächlich Heroinprobleme.

Kozik selbst wird mittlerweile in den USA als zeichnender Popstar gehandelt. Weil ihm aber der Underground zu sehr ans Herz gewachsen ist, hat er vor zwei Jahren sein eigenes Plattenlabel gegründet: Auf „Man's Ruin Records“ veröffentlichen unbekannte Garagen- und Surf-Bands, die er in der Bay Area von San Francisco entdeckt hat. Das Projekt entwickelt sich sozusagen korrekt independent – und Kozik hat weiterhin die Möglichkeit, seine Gemeinheiten in Kleinstauflage zu zeichnen, während ihm ansonsten bereits Nike und BASF für ihre Werbekampagnen die Tür einrennen.

Bis 7. Juni, Grober Unfug, Zossener Straße 32.

Eröffnung heute, 20 Uhr.

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